Geburtshilfe Frauenheilkd 2015; 75 - V20
DOI: 10.1055/s-0035-1548695

Atypischer Verlauf eines zunächst akuten HELLP-Syndroms

A Worms 1, A Friedland 1, F Stumpfe 1, T Dimpfl 1
  • 1Klinikum Kassel, Frauenklinik, Kassel, Deutschland

Bei einem HELLP-Syndrom sind fluktuierende Schübe, mit Remissionen in bis zu 46% der Fälle oder Exazerbation innerhalb von Stunden möglich.

Aufnahmebefund:

Die 36-jährige Erstgravide kam in der 24+3 SSW. wegen eines akuten HELLP-Syndroms als notfallmäßige Verlegung im Perinatalzentrum Level I zur Aufnahme. Eine Lungenreifeinduktion wurde extern durchgeführt.

Bei der Eingangsuntersuchung war der Blutdruck trotz 3 × 250 mg Presinol p.o. über 140/100 mmHg, die Patientin klagte über starke rechtsseitige Oberbauchbeschwerden.

Im Aufnahmelabor GOT 211 U/l, GPT 229 U/l, LDH 490 U/l, Thrombozyten 102 000, sFlt-1 16674, PlGF 24, Quotient 702.

Sonographisch fand sich eine extreme fetale Retardierung unterhalb der 3. Perzentile (Schätzgewicht 455 g) in BEL mit hochpathologischem uterinen Doppler bei noch normalem umbilicalem Doppler. Plazenta unauffällig, zweifache Nabelschnurumschlingung um den Hals.

Verlauf:

Aufgrund der frühen SSW. und des aktuellen Schätzgewichtes entschlossen wir uns zunächst zu einem abwartenden Vorgehen in Sectiobereitschaft bei engmaschiger Kontrolle sämtlicher Parameter.

Am Abend des Aufnahmetages kam es zum weiteren Abfall der Thrombozyten auf 89 000, worauf eine intravenöse Gabe von jeweils 32 mg Urbason sofort und am Folgetag erfolgte.

Im weiteren Verlauf normalisierten sich die Thrombozyten (Abb. 1 Verlauf der Thrombozytenzahl von 24+3 SSW. bis 31+0 SSW).

Abb. 1

Bei fluktuierenden Schüben der rechtsseitigen Oberbauchbeschwerden kam es bei unauffälliger Lebersonografie immer wieder zu einer Erhöhung der Transaminasen, welche jedoch ab der 27+5 SSW. im Normbereich lagen (Abb. 2 Verlauf der Leberwerte von 24+3 SSW. bis 31+0 SSW).

Abb. 2

Nach einem zwischenzeitlichen Abfall des PlGF auf 11 und einer Erhöhung des Quotienten auf 1211 betrugen in der 27+0 SSW. sFlt-1 18783, PlGF 31 sowie der Quotient 31.

Ab der 27+5 SSW. stand nur noch die fetale Retardierung mit weiterer mäßiger Gewichtszunahme im Blickpunkt.

In der 31+0 SSW. kam es zu einer fulminanten Ödemausbildung verbunden mit einem Blutdruckanstieg sowie einem Oszillationsverlust im CTG, so dass die primäre Sectio caesarea erfolgte. Weibliches Neugeborenes, Gewicht 840 g, Länge 33 cm, Kopfumfang 25 cm, Apgar 8/9/10, pH 7,35, BE -3,4.

Die Plazentahistologie erbrachte bis auf Zeichen der Minderperfusion einen unauffälligen Befund.

Fazit:

Die Prolongation der Schwangerschaft war primär dem sehr frühen Schwangerschaftsalter sowie der extremen fetalen Retardierung geschuldet. Die unter engmaschigen Kontrollen und Überwachung beobachtete Remission des zunächst akuten HELLP-Syndroms begünstigte den Verlauf über 47 Tage hinweg.