Geburtshilfe Frauenheilkd 2015; 75 - V19
DOI: 10.1055/s-0035-1548694

Schwangerschaftshypertonie in einem psychosomatischen Kontext

G Egloff 1
  • 1Universitätsklinikum Heidelberg, Praxis für Psychotherapie und Psychoanalyse, Mannheim, Deutschland

Fragestellung:

Geschildert wird der Fall einer 22-jährigen Patientin, die im dritten Jahr einer psychoanalytischen Behandlung ungewollt schwanger wird und im ersten Trimenon eine Hypertonie entwickelt, die zunächst sistiert und später auf Normalniveau zurückgeführt wird.

Methoden:

Im Rahmen von psychologischer Thematisierung und vor dem Hintergrund engmaschiger somatischer Betreuung durch den behandelnden Gynäkologen gelingt nicht nur die allmähliche Normalisierung des Blutdrucks, sondern es werden weiters biographische Faktoren der Patientin deutlich, die auf eine Dynamik zwischen psychischem Erleben der Schwangerschaft sowie somatischer Bereitschaft zu konflikthafter Verarbeitung derer hinweisen. Die Primagravida, zunächst mit einer phobischen Symptomatik mit Somatisierungsneigung vorstellig geworden, erlebte zu Beginn der Schwangerschaft Schwindelgefühle und Kopfschmerzattacken, die zunehmend von steigendem Blutdruck begleitet wurden. Mit Spitzenwerten zwischen 140/90 und 150/100 mm Hg lag dieser immer wieder am oder über dem Grenzwert; der Einsatz von Alpha-Methyldopa wurde rasch erforderlich. Die Patientin konnte ihre dennoch anhaltenden vegetativen Symptome mittels Durcharbeitung verstehen lernen, sodass psychische und somatische Parameter hin zum dritten Trimenon unauffällig wurden.

Ergebnisse:

Die Patientin konnte im Verlauf der Schwangerschaft Zusammenhänge herstellen zwischen Wünschen, Ängsten und subjektivem Stresserleben, ebenso wie das werdende Kind als symbolisiert verstehen. Aus eigenen pränatalen Faktoren – die Patientin war selbst SGA, small-for-date und prämatur – lassen sich zudem Schlüsse auf transgenerationale Faktoren im Sinne eines Fetal Programming ziehen.

Schlussfolgerung:

Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen können eine Integration psychischer und somatischer Interventionen erforderlich machen, sodass der psychosomatische Blick eine sinnvolle Massnahme zur Beseitigung bzw. Abschwächung akuter schwangerschafts-assoziierter Erkrankungen sein kann.

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