intensiv 2015; 23(02): 62-63
DOI: 10.1055/s-0035-1547196
Kolumne
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Frauenquote

Heidi Günther
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Publication Date:
06 March 2015 (online)

Mittelmäßige Männer in Spitzenjobs sind für eine Frau genauso eine Zumutung wie für einen Mann herausragende Frauen an oberster Stelle.

(Margarita Mathiopoulos, geb. 1956, deutsche Unternehmerin)

Wenn ich die täglichen Nachrichtensendungen verfolge, gibt es manchmal Meldungen, bei denen ich zwei Mal hinhören muss um zu glauben, was ich da höre.

Wir schreiben das Jahr 2015 und wieder sieht sich unsere Regierung veranlasst, eine gesetzliche Regelung der Frauenquote in den Führungsebenen der Wirtschaft zu diskutieren und vielleicht – wenn wir Frauen großes Glück haben – auch zu verabschieden. Nachdenklich stimmt mich dabei, dass dieses Thema schon seit Februar 2006 zur Debatte steht, 2011 ganz groß diskutiert wurde und man(n) sich bisher nur noch nicht entscheiden konnte, ob Frauen nun dürfen, sollen, müssen oder können oder eben nicht. Eine schwere Geburt, gewissermaßen.

Wir arbeiten in einem Beruf, der von Frauen dominiert wird, und für uns ist es daher geradezu selbstverständlich, Frauen in Führungspositionen zu erleben. Allerdings nicht bis in die allerobersten Etagen. Wenn man sich mit diesem Thema etwas mehr beschäftigt, staunt man nicht schlecht. Mir ging es zumindest so.

Ich wusste nicht, dass nur 4,4 Prozent (!) der Positionen in den Vorstands- und Geschäftsführerebenen in der Wirtschaft in Deutschland mit Frauen besetzt sind. Dass es wenige Frauen sind, war mir schon klar – aber so wenig? In unserem Land und in einer Zeit, in der Frauen bei der Feuerwehr oder Polizei arbeiten, Pilotinnen oder Bundeskanzlerin sind, boxen und Fußball spielen, sollte das Thema Gleichbehandlung eigentlich keines mehr sein.

Umso erstaunlicher ist es, dass es in anderen Ländern längst schon anders läuft. In der Schweiz liegt die Frauenquote bei 50 Prozent, in Frankreich, Norwegen und Österreich bei 40 Prozent. Wir hier in Deutschland haben gerade mal Friede Springer (Springer-Verlag), Liz Mohn (Bertelsmann-Verlag) Heidi Klum (Unternehmerin) und Verona Pooth (noch eine Unternehmerin). Ach ja, und Frau Merkel. Zur Ehrenrettung der Frauen sollte aber nicht unerwähnt bleiben, dass wenigstens im Bundestag der Frauenanteil heute bei 36,5 Prozent liegt. Im Bundeskabinett ist das Verhältnis 10:5 – zugunsten der Männer, die Kanzlerin nicht mitgezählt. Dabei sind mir auf Anhieb nur zwei Frauen eingefallen – nämlich Frau Nahles für Arbeit und Soziales und unsere Verteidigungsministerin Frau von der Leyen. Die drei anderen sind quasi unsichtbar.

Ein bisschen hat sich ja schon getan, denn bis 1987 dümpelte der Frauenanteil im Bundestag bei unter zehn Prozent vor sich hin. Zudem bemühen sich die Parteien dieses Landes, der Wirtschaft ein Beispiel zu geben, und haben viele Frauen in führenden Positionen.

Die Geschichte zeigt uns ja, dass sich die Frauen vieles, was für die Männer selbstverständlich ist, hartnäckig erkämpfen mussten. Zum Beispiel das Recht auf Bildung und Arbeit, das Wahlrecht oder das Recht auf Selbstbestimmung. Aber immer haben sie es geschafft – und so wird es auch dieses Mal sein. Es wird wahrscheinlich noch ein bisschen Zeit ins Land gehen und viele ermüdende Debatten um dieses Thema geben. Denn die Gegner der Frauenquote sehen darin wahrscheinlich eine Diskriminierung der Männer.

Da wird der Gleichstellungsbeauftragte für den Mann sicher nicht lange auf sich warten lassen. Ich sehe schon, wie sich „Männerrechtler“ aufbauen und Alice Schwarzer Paroli bieten (die übrigens genauso wie mancher Mann Steuern hinterziehen konnte und sich wahrscheinlich nicht anders als ein Mann verantworten muss). Es wird Selbsthilfegruppen für unterdrückte Männer und Weltmännerkonferenzen geben und wir werden sehen, wie unvorstellbar schnell der Gesetzgeber reagieren kann, um entsprechende Gesetze vorzulegen und umzusetzen. Die Eman(n)zipation wird eine ganz neue Qualität erleben.

Wir Frauen sind viel entspannter im Umgang mit Männern in sogenannten Frauendomänen und lassen dem Mann an sich gern einmal den Vortritt. Ich denke da nur an Männer in typischen Frauenberufen, Väter im Erziehungsurlaub oder Hausmänner aus Leidenschaft.

Genau wie es für uns ganz normal ist, dass Frauen Minister sind, studieren und erfolgreich in der Wissenschaft und Forschung arbeiten, ins Weltall fliegen, Höchstleistungen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens erbringen – genauso wird es irgendwann ganz normal sein, dass Frauen als Vorstandsmitglieder großer Unternehmen auftreten und ihre Sache nicht weniger kompetent als Männer vertreten. Nicht umsonst werden wir ja das starke Geschlecht genannt.

Schade nur, dass es dafür offensichtlich einer gesetzlichen Regelung bedarf und der Weg dahin ein mühsamer zu sein scheint.

Ihre FRAU Günther