Krankenhaushygiene up2date 2015; 10(01): 7
DOI: 10.1055/s-0035-1547068
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Verhindern Chlorhexidin-Waschungen Infektionen?

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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
24. April 2015 (online)

Immer wieder kommt es auf Intensivstationen zu Infektionen mit multiresistenten Keimen. Frühere Studien zeigten, dass Waschungen mit Chlorhexidin die Hautkolonisation mit multiresistenten Bakterien verhindern können. Doch trifft das auch auf nosokomiale Infektionen zu? In einer aktuellen Studie aus den USA war dies nicht der Fall.

Im Rahmen einer randomisierten klinischen Studie werteten die Autoren Daten von 9340 erwachsenen Patienten von 5 Intensivstationen einer Universitätsklinik in Nashville/USA aus. Die Hälfte der Patienten wurde einmal täglich mit Tüchern abgerieben, die mit 2 %-igem Chlorhexidin getränkten waren. Die übrigen Patienten wurden mit nicht-antimikrobiellen Tüchern gewaschen.

Der primäre Endpunkt der Studie war eine Kombination aus Infektionen zentraler Venenkatheter, Infektionen von Harn­kathetern, beatmungsassoziierten Pneumonien und Clostridium-difficile-Infektionen. Sekundäre Endpunkte waren der Nachweis multiresistenter Erreger in bakteriellen Kulturen, die Kontamination von Blutkulturen sowie nosokomiale Bakteriämien.

Bei Waschungen mit Chlorhexidin ereigneten sich 55 Infektionen, die dem primären Endpunkt entsprachen. In der Kontrollgruppe traten 60 Infektionen auf. Dies entspricht einer Rate von 2,86 pro 1000 Patiententage unter Chlorhexidin verglichen mit 2,90 unter der Kontrollbehandlung (rate difference -0,04; 95 %-KI, -1,10 bis 1,01; p = 0,95). Bei den sekundären Endpunkten zeigte sich ebenfalls kein Unterschied.

Da in dieser Studie tägliche Waschungen mit Chlorhexidin die nosokomiale Infektionsrate nicht verminderten, empfehlen die Autoren sie nicht für Intensivpatienten.

Dr. med. Peter Pommer, Oberammergau

Kommentar

Noto et al. stellten in ihrer Arbeit fest, dass die tägliche Waschung von Intensivpatienten mit Chlorhexidin die Infektionsrate nicht beeinflusste. Als primären Endpunkt verwendeten sie eine Kombination aus Katherter-assoziierten Blutstrominfektionen (CLABSI), Katheter-assoziierten Harnwegsinfektionen (CAUTI), beatmungs-assoziierten Pneumonien (VAP) und Clostridium-difficile-Infektionen.

Der Kombinationsendpunkt wurde vermutlich gewählt, weil die Inzidenz jeder einzelnen dieser vier Infektionen niedrig war. Bisher konnte in der Literatur nicht gezeigt werden, dass Chlorhexidin-­Waschungen überhaupt einen Einfluss auf VAP-, CAUTI- oder C. difficile-Infektionen haben. Dieser Einfluss ist auch nicht zu erwarten, da eine Reduktion der Hautflora durch Waschungen kaum Wirkung auf diese Art von Infektionen haben dürfte. Daher ist ein derartig kombinierter Endpunkt unseres Erachtens nicht sinnvoll, um die Effektivität von Chlorhexidin-Waschungen zu untersuchen.

Es ist jedoch sinnvoll, den Einfluss auf die CLABSI-Rate zu betrachten. 2013 untersuchten Climo et al. 7727 Patienten. Tägliche Chlorhexidin-Waschungen reduzierten unter anderem signifikant die Rate an Infektionen durch den zentralvenösen Katheter von initial 3,3 auf 1,55 pro 1000 ZVK-Tage.

Noto et al. konnten in der Analyse des sekundären Endpunktes keine Reduktion der Katheter-assoziierten Blutstrominfektionen feststellen. Allerdings war die Infektionsrate mit 0,19 Infektionen pro 1000 Patiententage mit und ohne Chlorhexidin ausgesprochen niedrig – in beiden Gruppen gab es jeweils nur 4 Fälle. Bei einer so geringen Ausgangs­rate ist es prinzipiell schwierig, den Unterschied durch eine Intervention zu zeigen. Hierauf war die Studie von Noto nicht ausgelegt.

Welches Fazit erlaubt nun die Arbeit von Noto et al.? „Listen to your hospital“ scheint nicht nur der richtige Ansatz für die Wahl von Antibiotika zu sein, sondern auch für den Einsatz von infektionspräventiven Maßnahmen, wie den Chlorhexidin-Waschungen. Ist die Rate Katheter-assoziierter Blutstrominfektionen bereits sehr gering, dann ist der ­zusätzliche Nutzen eher fraglich. Bei ­höheren Infektionsraten ist diese Intervention aber weiterhin zu empfehlen. Auch die Society for Healthcare Epidemiology of America (SHEA) und die ­Infectious Disease Society of America (IDSA) raten zur täglichen Waschung von Intensivpatienten mit Chlorhexidin zur Vermeidung von Katheter-assoziierten Blutstrominfektionen.

Prof. Dr. med. Sebastian Lemmen
Dr. med. René Fussen
Zentralbereich für Krankenhaushygiene und Infektiologie, Uniklinik RWTH Aachen