Entgegen der verbreiteten Annahme ist nicht belegt, dass Belastungen des Lehrerberufes
zu einer erhöhten Rate insbesondere auch psychischer Erkrankungen führen. Burnout-Erleben
und die bis etwa 2004 sehr hohen, anschließend vor dem Hintergrund erhöhter Versorgungsabschläge
deutlich rückläufigen Frühpensionierungszahlen werden vielmehr auf komplexe Weise
durch soziale und beamtenrechtliche Rahmenbedingungen beeinflusst. Entsprechendes
gilt es angesichts der grundsätzlichen systemisch-interaktionellen Problematik sozialmedizinischer
Gutachten im Allgemeinen und der Frage nach der Tragfähigkeit des von Lehrern wie
Ärzten in diesem Kontext oft zugrunde gelegten Burnout-Phänomens zu diskutieren. Psychisch
erkrankte Lehrer sind unter den Patienten psychotherapeutischer Kliniken häufig. Die
meisten von ihnen, entsprechend den 2012 in der Schön Klinik Roseneck erhobenen Daten,
kommen aufgrund von Depressionen (76,8%) zur Aufnahme, 67,9% können nach 4 – 6 Wochen
mit signifikant verbesserten Depressionswerten entlassen werden. Mit Blick auf die
von vielen Lehrer-Patienten (> 60%) als für ihre Erkrankung (mit-)entscheidend erlebten
beruflichen Belastungen bietet es sich an, im Rahmen der Behandlung an, ergänzend
zu einer fachgerechten symptombezogenen Therapie, berufsbezogene Therapiebausteine
einzusetzen. AGIL (Arbeit und Gesundheit im Lehrerberuf) ist ein speziell auf die
Belastungen von Lehrpersonen hin ausgerichtetes Gruppentherapie- bzw. Präventionsprogramm.
Behandlungseffekte von AGIL werden anhand einer kontrollierten Studie bei psychosomatisch
erkrankten Lehrkräften berichtet. Ergänzend werden Ergebnisse einer Präventionsstudie
mit einem modifizierten AGIL-Programm dargestellt: erhöht belastete Lehrer (indizierte
Prävention) berichten im Verlauf eine deutliche Reduktion subklinischer Depressionssymptome
(d = 0,58), die auch nach 12 Monate (Katamnese) nachweisbar sind. Strategien des professionellen
Stressmanagements sollten Bestandteil der Lehrerausbildung bilden und berufsbegleitend
trainiert werden. Eine die speziellen beruflichen Belastungen nicht berücksichtigende
Behandlung von Lehrkräften ist insuffizient. Letztlich werden aber nur Ansätzen, die
darüber hinaus die sich aus den systemischen Gegebenheiten für Lehrpersonen ergebenden
Konstellationen berücksichtigen, von der Ausbildung, über die berufsbegleitende gesundheitsbezogene/supervisorische
Betreuung bis zu der vom Arbeitgeber zu leistenden Fürsorgepflicht wenn Unterrichtstätigkeit
nicht oder nur eingeschränkt möglich ist (diesbezüglich beispielhaft ist das CARE-Projekt
des niedersächsischen Kultusministeriums), der komplexen Problematik bzw. den individuellen
wie gesellschaftlichen Aspekten des Themas Lehrergesundheit gerecht. Kriterien, Handlungsspielräumen
und Perspektiven der amtsärztlichen Betreuung und sozialmedizinischen Begutachtung
von erkrankten Lehrerinnen und Lehrern wird vor diesem Hintergrund diskutiert.