physioscience 2015; 11(02): 87
DOI: 10.1055/s-0034-1399649
Veranstaltungsbericht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

44. Kongress der Internationalen Kontinenz Gesellschaft (International Continence Society, ICS) in Rio de Janeiro vom 20.–24. Oktober 2014

B. Carriere
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Publication Date:
28 May 2015 (online)

In Rio de Janeiro hatten sich ca. 1880 Mediziner, Wissenschaftler, Krankenschwestern und Physiotherapeuten versammelt, die sich mit Erkrankungen und Problemen des Becken-/Bauchraums befassen. Physiotherapeuten sind etwa 10 % der Mitglieder, nach meiner Schätzung so ca. 150 – 200 bei den Veranstaltungen, die jedes Jahr in einer Großstadt in einem anderen Land stattfinden: im Jahr 2013 in Barcelona, im Jahr 2015 in Montreal.

Viele der teilnehmenden Physiotherapeuten betreiben neben klinischer Arbeit auch Forschung, andere sind nur in der Forschung tätig, wieder andere sind selbstständig oder angestellt und arbeiten nur klinisch. Aus Europa waren Holland, Belgien, England und Skandinavien gut vertreten; aus Deutschland kamen 3 Physiotherapeuten. Mitunter tauchte die Frage auf, ob es dort überhaupt Physiotherapeuten gibt, die Patienten mit Blasen-/Darm- und Beckenbodenbeschwerden behandeln.

Der Kongress bot einen Nachmittag nur für Physiotherapeuten, bei dem neben der Vorstellung der letzten physiotherapeutischen Forschungsarbeiten in Bezug auf den Beckenboden auch verschiedene Workshops angeboten wurden, die Einblicke in verschiedene Aspekte der physiotherapeutischen klinischen Arbeit lieferten. Dabei gab es auch Gelegenheiten, sich mit Kollegen aus aller Welt auszutauschen.

Im Workshop über die Anwendung von Pessaren erklärte eine amerikanische Kollegin, wann welche Pessare bei Prolapsen eingesetzt werden. Nach einem dementsprechenden Training ist sie befugt, Pessare zu verordnen und Patienten einzuweisen, was in Deutschland noch nicht möglich ist.

In einem der längeren (2 – 4 Stunden) Workshops stellte eine brasilianische Gruppe von Ärzten und Physiotherapeuten z. B. Beckenbodenprobleme bei Athleten vor und zeigte, dass Prävention von Inkontinenz bei Sportlern möglich ist ([Abb. 1]). In Sportarten mit einem hohen Risiko für Blasen- und Darminkontinenz (z. B. Trampolinspringen, Basket-/Volleyball, Leichtathletik) erlernen die Sportler mit oder ohne Biofeedback die Wahrnehmung der Beckenbodenmuskulatur, bevor Kräftigungsübungen (Progression mit Widerstand oder Gewichten) verbunden mit An- und Entspannung des Beckenbodens und kombiniert mit Zwerchfellatmung trainiert werden. Schließlich werden funktionelle Aktivitäten, wie z. B. Hinunter-/Hinaufspringen oder Anspannung des Beckenbodens bei plötzlichem Stopp nach einem kurzen Sprint geübt. Die Teilnehmer des Workshops konnten zu einer vorgeführten Pelvicsport-DVD selbst einige Präventionsaktivitäten ausprobieren.

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Abb. 1 Brasilianische Gruppe um Dr. Maita Poli im Workshop über klinische, biomechanische und funktionelle Befundung des Beckenbodens bei weiblichen Athleten.

Beim Empfang am Abend des 2. Tages bot sich für alle Teilnehmer die Gelegenheit, sich mit anderen Teilnehmern aus der ganzen Welt in entspannter Atmosphäre zu unterhalten und mit einem Drink in der Hand einer brasilianischen Tanzgruppe und Musikband zuzusehen.

Am 3.–5. Tag fanden Vorträge sowie die Vorstellung von Postern und Videos statt. Außerdem wurden die Gewinner der besten Abstracts für Grundlagenforschung, Video, innovative Forschung und konservatives Management geehrt.

S. Hagen et al. („A multicentre randomized controlled trial of a pelvic floor muscle training intervention for the prevention of pelvic organ prolaps (PREVPROL)“ sowie K. Notten et al. („Do levator ani muscle defects predict recurrent POP after anterior colporraphy?“) teilten sich den Preis für den besten klinischen Abstract.

B. Junginger, Physiotherapeutin aus Deutschland, stellte in ihrem Videoabstract dar, wie wichtig Wahrnehmung des Beckenbodens vor Kräftigungsübungen ist. Als Biofeedback für die Darstellung korrekter Kontraktion diente Ultraschall.

B. Goedle-Purrer aus Österreich nutze in ihrer Forschungsarbeit Ultraschall, um Patienten mit Inkontinenz nach radikaler Prostataoperation zu zeigen, wie sie ihre Beckenbodenmuskulatur korrekt anspannen und kräftigen können. Sie stellte zudem fest, dass die Anleitung der Patienten mit Ultraschall eine positive Auswirkung auf die Selbstmotivation von Patienten nach radikaler Prostataektomie hatte, regelmäßig zu üben.

In der Ausstellungshalle konnte man sich über die neuesten Technologien für Geräte und Hilfsmittel zur Behandlung und bei Operationen informieren oder mehr über neue Medikamente erfahren.

Während der 5 Tage lud das angenehme Klima in Rio bei Tag und Nacht dazu ein, die gastfreundliche Stadt zu erobern, sich mit Kollegen bei einem gemütlichen Essen oder am Strand der Copacabana auszutauschen.

Der nächste Kongress findet vom 5.–9. Oktober 2015 in Montreal/Kanada statt.