Diabetologie und Stoffwechsel 2015; 10(06): 300-301
DOI: 10.1055/s-0034-1398292
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Referat – Kann Liraglutid die Gewichtsabnahme unterstützen? Zwei Studien mit neuen Belegen

Karsten Müssig
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Publication Date:
26 January 2016 (online)

Hintergrund: Die Optimierung des Lebensstils reicht bei Adipositas oft nicht aus, um langfristig das Gewicht zu reduzieren. GLP-1-Rezeptoragonisten wie Liraglutid senken den Blutzucker und zügeln den Appetit. Wie das Medikament bei Typ-2-Diabetes-Patienten wirkt und ob dieser Effekt auch Adipositas-Patienten helfen kann, wurde in 2 Studien untersucht, die hier zusammengefasst wurden.

Studie 1 (Pi-Sunyer et al.)

Methoden: Die Studienteilnehmer waren durchschnittlich 45,1 Jahre alt; 79 % weiblich und 61 % hatten einen Prädiabetes. Sie erhielten 2:1 randomisiert entweder 1 × täglich Liraglutid 3 mg subkutan oder Placebo. Beide Gruppen wurden zudem monatlich zu Lebensstilveränderungen beraten. Die primären Endpunkte nach 56 Wochen waren Gewichtsabnahme, Teilnehmer-Anteil mit einer Gewichtsreduktion ≥ 5 %, Teilnehmer-Anteil mit einer Gewichtsreduktion ≥ 10 %.

Ergebnisse: Das durchschnittliche Körpergewicht betrug zu Studienbeginn 106,2 ± 21,4 kg und der mittlere Body-Mass-Index (BMI) 38,2 ± 6,4 kg / m2. Nach 56 Wochen hatten die Teilnehmer in der Liraglutid-Gruppe im Mittel 8,4 ± 7,3 kg abgenommen, die Probanden der Kontrollgruppe 2,8 ± 6,5 kg. Der Unterschied war signifikant (p < 0,001). Unter Liraglutid reduzierten 63,2 vs. 27,1 % der Studienteilnehmer mindestens 5 % ihres Körpergewichts. 33,1 vs. 1,6 % nahmen über 10 % ab (jeweils p < 0,001).

In der Liraglutid-Gruppe verbesserten sich zahlreiche kardiovaskuläre Risikofaktoren signifikant stärker, wie der HbA1c-Wert (um 0,3 vs. 0,13 %), systolischer und diastolischer Blutdruck, Lipidprofil und weitere Biomarker für Typ-2-Diabetes (je p < 0,001). Die häufigsten unerwünschten Ereignisse unter Liraglutid waren leichte bis moderate Übelkeit und Durchfälle. Schwerwiegende Ereignisse traten bei 6,2 % auf (Kontrollgruppe: 5,0 %).


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Studie 2 (Davies et al.)

Methoden: Die ebenfalls 56 Wochen dauernde Placebo-kontrollierte Parallelgruppenstudie mit einer 12-wöchigen anschließenden Beobachtungsphase ohne Medikation wurde in 9 Ländern, unter anderem auch in Studienzentren in Deutschland, durchgeführt. Voraussetzung für die Studienteilnahme war ein BMI > 27,0 kg / m2, ein Alter > 18 Jahren und die Einnahme von bis zu 3 oralen Antidiabetika, wobei die Dosis von Sulfonylharnstoffen bei Einnahme von Liraglutid angepasst wurde, sowie ein HbA1c von 7,0–10,0 %.

Im Verhältnis 2:1:1 erhielten 846 Patienten zusätzlich zu Lebensstilinterventionen (kalorienreduzierte Diät mit täglich 500 kcal unter Bedarf und zusätzliche körperliche Betätigung über mind. 150 Minuten pro Woche) randomisiert 1 × täglich subkutanes Liraglutid in einer Dosis von 3,0 mg (n = 423) oder in einer Dosis von 1,8 mg (n = 211) oder Placebo (n = 212).

Ergebnisse: In Woche 56 wurden 3 koprimäre Endpunkte ausgewertet: der relative Gewichtsverlust, der Anteil der Patienten, die ihr Gewicht um mehr als 5 % reduziert hatten, und der Anteil derjenigen, die mehr als 10 % ihres Ausgangsgewichts verloren hatten. Das Ausgangsgewicht in den 3 Gruppen betrug im Mittel 105,7 kg in der 3,0 mg-Liraglutid-Gruppe, 105,8 kg in der Gruppe mit niedriger Liraglutiddosis und 106,5 kg in der Placebogruppe.

In Woche 56 hatten die Patienten in der 3,0 mg-Liraglutid-Gruppe 6,0 % (6,4 kg) abgenommen, in der 1,8 mg-Gruppe 4,7 % (5,0 kg) und in der Placebogruppe 2,0 % (2,2 kg). Der Unterschied zwischen den beiden Verumgruppen und der Placebogruppe war jeweils statistisch signifikant (beide Male p < 0,001). Einen Gewichtsverlust von 5 % und mehr hatten 54,3 %, 40,4 % und 21,4 % der Patienten in den 3 Gruppen erreicht.

Auch der Unterschied zwischen jedem Verumarm und dem Placeboarm war statistisch signifikant (p < 0,001). Das galt auch für einen Gewichtsverlust von 10 % und mehr. Dies erreichten 25,2 % der Patienten unter 3,0 mg Liraglutid, 15,9 % unter 1,8 mg Liraglutid und 6,7 % in der Placebogruppe (Liraglutid 3,0 mg vs. Placebo: p < 0,001; Liraglutid 1,8 mg vs. Placebo: p = 0,006). Unter der Therapie mit 3,0 mg Liraglutid erreichten mehr Patienten den Ziel-HbA1c-Wert und es verbesserten sich Parameter wie der prandiale Insulinanstieg, die Nüchternblutglukose, Proinsulinwerte, das Verhältnis von Proinsulin zu Insulin und HOMA-IR-Werte. Bei der niedrigen Dosis waren die Effekte weniger ausgeprägt und für HOMA-IR nicht signifikant.

Die höhere Liraglutid-Dosierung führte zu mehr gastrointestinalen Nebenwirkungen (Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö, Obstipation) als die niedrigere oder Placebo. Die Rate schwerer Nebenwirkungen in den 3 Gruppen lag bei 8,8 %, 8,6 % und 6,1 %. Eine Pankreatitis trat nicht auf. Symptomatische Hypoglykämien waren in den Verumarmen häufiger als unter Placebo (87 und 95 pro 100 Patientenjahre unter Liraglutid 3,0 bzw. 1,8 mg und 31 pro 100 Patientenjahre in der Placebogruppe).


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Folgerung aus beiden Studien

Die Studien verdeutlichen, dass Liraglutid vor allem in der Dosis 3,0 mg bei Kalorienrestriktion und erhöhter körperlicher Aktivität zu Gewichtsreduktion und zur Verbesserung des Glukosestoffwechsels führen kann. Weitere Studien müssen die Langzeitwirksamkeit und -sicherheit genauer untersuchen.

Dr. Winfried Keuthage, Münster (Studie 1)

Friederike Klein, München (Studie 2)


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