Z Gastroenterol 2015; 53(9): 1131-1132
DOI: 10.1055/s-0034-1397956
Der bng informiert
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

FDA safety communication – Infektionsrisiko bei ERCP-Untersuchungen

Further Information

Publication History

Publication Date:
06 October 2015 (online)

Infektiöse Komplikationen nach endoskopischen Untersuchungen sind selten. Das nach ERCP-Untersuchungen – im Vergleich zu gastroskopischen oder koloskopischen Untersuchungen – erhöhte Infektionsrisiko [1] ist im Wesentlichen auf zwei Faktoren zurückzuführen: Zum einen sind Gallenwege und Pankreasgang physiologisch sterile Hohlsysteme, zum anderen erfordern Distalende und Albaran-Hebel von Duodenoskopen besondere Sorgfalt bei der manuellen Reinigung, um eine nachfolgende korrekte Desinfektion zu gewährleisten.

Die Food and Drug Administration (FDA) der USA hat im Februar eine Warnung bezüglich des Infektionsrisikos nach ERCP-Untersuchungen ausgesprochen [2], die auch hierzulande beachtet und befolgt werden sollte. Hintergrund waren gehäufte Fallberichte über infektiöse Komplikationen nach Duodenoskopien an das Center for Disease Control (CDC) [3]. Mitte Februar hat das Ronald Reagen UCLA Medical Center in Los Angeles 179 Patienten, die im Rahmen einer endoskopischen Untersuchung während ihres Krankenhausaufenthalts möglicherweise mit Carbapenem-resistenten Enterobacteriacea kontaminiert worden waren angeschrieben und ihnen kostenfreie Untersuchungen bezüglich einer möglichen Kolonisierung mit dem betreffenden Erreger angeboten [4]. Der dortige Ausbruch sowie andere Ausbrüche konnten nur durch Aus-dem-Verkehr-Ziehen involvierter Duodenoskope bzw. Gassterilisation mit Ethylenoxid beendet werden [5, 6], was eine Debatte über die Notwendigkeit strengerer Aufbereitungsverfahren auslöste [7, 8].

Mehrfach-Resistenzen von Gram-negativen Erregern nehmen weltweit zu. Liegt eine Resistenz gegen drei Antibiotikaklassen vor (3MRGN), besteht noch eine Therapieoption mit Carbapenemen. Bei Vierfach-Resistenzen (4MRGN), d. h. bei Erregern, bei denen die wichtigsten für die Therapie gram-negativer Infektionen eingesetzten Antibiotikaklassen nicht mehr wirksam sind [9], kann die Infektion zu Sepsis und Tod führen. Endoskopische Untersuchungen gelten als Risikofaktor für das Auftreten einer Infektion mit Carbapenem-resistenten Erregern [10]. Auch wenn hierzulande nur ca. 0,3 Prozent aller nosokomialen Infektionen auf 4MRGN zurückzuführen sind (1 500 von 500 000 nosokomialen Infektionen) [11], kann eine mögliche Übertragung von Carbapenem-resistenten Erregern im Rahmen von z. B. ERCP-Untersuchungen bei immunsupprimierten Patienten therapeutisch nicht mehr beherrschbar sein [12] und tödlich enden. In einem Ausbruch lag die 30-Tage-Mortalität bei Übertragung Carbapenem-resistenter E. coli bei 56 Prozent [6].

Zwar lehnt die multi-society-Guideline amerikanischer Fachgesellschaften [13] – im Gegensatz zu Leitlinien in Europa und Deutschland [14, 15] – mikrobiologische Kontrollen der Endoskop-Aufbereitung als nicht evidenz-basiert ab und Sorgfalt und Kontrollen der Aufbereitungspraxis sind möglicherweise diesseits und jenseits des Atlantik unterschiedlich, das Problem infektiöser Komplikationen durch mehrfach-resistente Erreger nach ERCP-Untersuchungen ist jedoch nicht auf die USA beschränkt. Im Juni-Heft von Endoscopy beschreiben Verfaillie et al. [16] einen Ausbruch infektiöser Komplikationen nach ERCP-Untersuchungen in Rotterdam, Kola et al. [17] haben kürzlich einen ähnlichen Ausbruch an der Charitè in Berlin beschrieben, d. h. das Problem von Ausbrüchen mit multiresistenten Erregern nach ERCP-Untersuchungen ist auch in Europa und Deutschland angekommen. Nach derzeitigen Erkenntnissen spielen Modifikationen des Herstellers eines bestimmten Duodenoskops (Olympus TJF Q180V) mit Fixierung des Distalendes und erschwerter Reinigungsmöglichkeit des Elevator-Hebels eine entscheidende Mitrolle. Wie im begleitenden Editorial zur Verfaillie-Arbeit in Endoscopy erörtert [18], sind erhöhte Aufmerksamkeit, sorgfältige manuelle Reinigung und korrekte Desinfektion von Endoskopen in der Prävention einer möglichen Übertragung von Infektionserregern essentiell, wobei die Einzelschritte insbesondere der manuellen Reinigung von Duodenoskopen auf die aktuellen Empfehlungen der Gerätehersteller abgestimmt sein müssen. Auch auf die Notwendigkeit einer Meldung von Infektionen und einer Kooperation mit Gerätehersteller und Behörden bei der Aufklärung von Ausbrüchen wird hingewiesen [18].

Da sich derzeit keine Informationen über das Problem einer möglichen Übertragung von Infektionserregern mit Mehrfach-Resistenzen auf der Webseite von Olympus.de findet und ich mit Informationspolitik und Verhalten des weltweit größten Herstellers von komplexen Medizinprodukten (Endoskopen) nicht einverstanden bin, habe ich den nachfolgend abgedruckten offenen Brief an Olympus geschrieben.

Literaturhinweise finden Sie auf der bng-Webseite.

Prof. Dr. med. Ottmar Leiß (Gastroenterologische Gemeinschaftspraxis Mainz)

Zoom Image
Ottmar Leiß
Offener Brief an Olympus Deutschland

Sicherlich wissen Sie, dass Infektionen nach Untersuchungen mit Seitblick-Duodenoskopen zahlenmäßig die häufigsten Infektionen nach endoskopischen Untersuchungen darstellen [1, 2] und dass das FDA Anfang Februar diesen Jahres eine ‚Safety Communication‘ veröffentlicht hat, in der auf in jüngster Zeit vermehrte Infektionen nach Untersuchungen mit Seitblick-Duodenoskopen hingewiesen wurde und zu erhöhter Wachsamkeit aufgerufen wurde [3].

Die im aktuellen Juni-Heft von Endoscopy publizerte Arbeit von Verfaillie et al. [4] aus Rotterdam und die kürzlich publizierte Studie von Kola et al. [5] aus der Charité in Berlin zeigen, dass das Problem möglicher Übertragungen von multiresistenten Infektionserregern im Rahmen von ERCP-Untersuchungen, speziell auch mit dem von Ihnen hergestellten Duodenoskop TJF Q180V, auch in Europa und Deutschland angekommen ist. Frau Beilenhoff, Vorsitzende der ESGNA, weist in Ihrem Editorial zur Verfaillie-Publikation [6] mit Recht auf die Wichtigkeit einer engen Kooperation betroffener Endoskopie-Einheiten, Gerätehersteller und öffentlicher Behörden in der Klärung eines Ausbruchs und die Notwendigkeit einer Rückmeldung von infektiösen Komplikationen an Gerätehersteller und Überwachungsbehörden hin, aber dies ist in meinen Augen weniger als die halbe Miete.

Mir ist bekannt, dass Olympus in den USA im März ein Schreiben zur aktualisierten Aufbereitung Ihres Duodenoskops TJF Q180V veröffentlicht hat [7] und dass das FDA Olympus nicht zu einer Rückrufaktion aufgefordert hat [8], um Engpässe bei der Durchführung dringend indizierter ERCP-Untersuchungen in den USA zu vermeiden. Ich schreibe Ihnen, weil ich mit der Informationspolitik Ihres Unternehmens nicht einverstanden bin und ich auf www.olympus.de keinerlei Informationen zu dem Problem finden konnte.

Ich fände es gut, wenn in Ihrer (Mit-)Verantwortung für die Patientensicherheit – in Analogie zur Pharma-Industrie – einen ‚Rote-Hand-Brief‘ an alle Gastroenterologen in Deutschland (und anderen betroffenen Ländern) schreiben würden, auf die Probleme hinweisen, Ihre überarbeiteten Aufbereitungsempfehlungen für das betreffende Duodenoskop und ein Informationsblatt über Rückmeldungen an BfArM und Gerätehersteller beifügen würden. Ich fände es noch besser, wenn Sie als Hersteller komplexer Medizinprodukte [9] in Ihrer (Mit-)Verantwortung für die Patientensicherheit – in Analogie zur Automobilindustrie – eine Rückrufaktion des modifizierten und besonders betroffenen Duodenoskop-Typs TJF Q180V veranlassen bzw. zumindest den Weitervertrieb dieses Gerättyps stoppen würden.

‚Primum nihil nocere‘ ist oberste Maxime ärztlichen Handelns. Spätestens seit der Contergan-Katastrophe sollte dies auch für die Hersteller von Arzneimitteln gelten und mancher Arzneimittel-Hersteller hat sein Präparat nach Bekanntwerden erheblicher Nebenwirkungen vom Markt genommen. Ob Sie als weltweit führender Hersteller von komplexen Medizinprodukten (wie Endoskopen und Zubehör) ‚do no harm‘ über ökonomische Interessen stellen und eine Vorreiter- und Vorbildfunktion für Hersteller von Medizinprodukten übernehmen, werden die nächsten Wochen zeigen.

Prof. Dr. med. Ottmar Leiß