Z Gastroenterol 2015; 53(4): 344-345
DOI: 10.1055/s-0034-1397671
Nachruf
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Nachruf auf Professor Dr. Harald Henning

Paul Georg Lankisch
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Publication Date:
16 April 2015 (online)

Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten und der Sektion Gastroenterologische Endoskopie

Harald Henning wurde am 29. März 1926 in Parchim geboren, besuchte dort die Grundschule und später in Schwerin das Realgymnasium. Seine Schulzeit wurde 2 Jahre durch seinen Militärdienst in der Marine zunächst in Stralsund, später in Norwegen, unterbrochen, wo er in Kriegsgefangenschaft geriet. Zurückgekehrt nach Schwerin legte er dort im März 1946 die Reifeprüfung ab und studierte dann vom Sommersemester 1946 bis zum Wintersemester 1950/51 Medizin.

Den weiteren Verlauf von Hennings medizinischem Werdegang in einem Nachruf zu referieren, heißt auch, einen Teil der Geschichte der Gastroenterologie in Deutschland aufzuführen.

Henning verbrachte seine Pflichtassistentenzeit an der Medizinischen Universitätsklinik und Poliklinik Greifswald unter Gerhardt Katsch und erhielt dort auch von Heinz Pickert sein Thema für die Promotion „Studien über die Wandlungen des hämatologischen Erscheinungsbildes bei akuten Leukosen“. Im März 1953 musste er, so steht es in seinem der Doktorarbeit beigefügten Lebenslauf lapidar, nach West-Berlin übersiedeln.

Henning schrieb später, die Wurzeln seiner Beschäftigung mit gastroenterologischen Problemen, zu deren Lösung bis 1985 fast 15 000 Laparoskopien eine nicht selten entscheidende Rolle gespielt hatten, hätten in seiner Greifswalder Zeit gelegen. Katsch hatte noch als Oberarzt unter Ernst von Bergmann in Frankfurt / Main 1923/1924 Heinz Kalk angeregt, sich mit der Laparoskopie zu beschäftigen, eine Methode, die sich trotz der Pionierarbeiten von Georg Kelling (1901) und Hans Christian Jacobaeus (1913) noch nicht allgemein durchgesetzt hatte. Kalk wurde bald zu einem der wichtigsten Protagonisten der Laparoskopie in Deutschland. Als Katsch 1928 nach Greifswald berufen wurde, war zwar sein zentrales Thema die Erforschung des Diabetes mellitus, aber die Gastroenterologie und mit ihr die Laparoskopie als diagnostische Methode spielten auch hier eine große Rolle.

In West-Berlin fand Henning kurzfristig im Krankenhaus Moabit eine Anstellung bei Heinrich Bartelheimer, auch einem Katsch-Schüler. In dieser Klinik traf er auch wieder auf dessen Oberarzt Pickert, der ebenfalls nach West-Berlin hatte übersiedeln müssen und nun wieder die Betreuung der Doktorarbeit übernehmen konnte. Von Oktober 1953 bis August 1959 arbeitete Henning als Assistenzarzt bei Adalbert Buding in Hohengatow. Buding war Kalk-Schüler und engagierter Laparoskopiker. Während dieser Zeit wurde Henning am 25. April 1955 promoviert und im Juli 1958 Facharzt für Innere Krankheiten. Und noch etwas: er lernte seine spätere Frau Annaliese kennen, sie heirateten 1957 und blieben bis zu ihrem Tode 2008 zusammen. Zwei Töchter und ein Sohn gingen aus der Ehe hervor. Ende 1959 kam Henning dann als Oberarzt zu Pickert, der inzwischen die II. Innere Abteilung des Städtischen Krankenhauses Berlin-Spandau leitete und dort einen hepatologischen Schwerpunkt aufbaute.

Im Jahre 1967 gründete Henning schließlich die Klinik Föhrenkamp der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und wurde ihr erster leitender Arzt. Er verblieb dort 24 Jahre. Wenn man seine Schüler fragt, so führte er patriarchalisch und herzlich, er sorgte für die Seinen. Um eine breite internistische und gastroenterologische Weiterbildung zu ermöglichen, schickte er seine „Jungs“, wie er seine ärztlichen Mitarbeiter nannte, zur weiteren Ausbildung an andere Kliniken, von wo sie mit neuen Kenntnissen und Methoden zurückkamen. Fortbildung war ihm wichtig. Er gründete die stets gut besuchten „Ärztlichen Seminare in Föhrenkamp (und Hellbachtal)“ und führte 40 dieser Seminare bis zu seiner Pensionierung im März 1991 durch. Während dieser Zeit betreute er zahlreiche Doktorarbeiten, veröffentlichte eigene Untersuchungsergebnisse und habilitierte sich am 25.01.1985 als dritter Externer unter Heinrich Bartelheimer in Hamburg. Thema der Arbeit war „Die phenolisatininduzierte Leberschädigung – ein Beispiel für die hepatotoxische Medikamentennebenwirkung“.

Herausragend war auch die Herausgabe zweier Atlanten und Lehrbücher der Laparoskopie. Im Georg Thieme Verlag erschienen 1985 „Laparoskopie. Atlas und Lehrbuch“, gemeinsam mit Dieter Look, und 1994 der „Color Atlas of Laparoscopy“, gemeinsam mit Charles J. Lightdale und Dieter Look. Zur deutschen Ausgabe schrieb übrigens Norbert Henning, Erlangen, ein Geleitwort. Henning hatte parallel zu Kalk die Laparoskopie 1927 in der Morawitzschen Klinik in Leipzig eingeführt, als er dort eine gastroenterologische Abteilung aufbaute.

Sein Engagement für uns war vielfältig und begann mit seinem Eintritt in unsere Gesellschaft am 01.01.1952. Damals wurde mit der Nummerierung der Mitglieder begonnen, Henning erhielt die Mitgliedsnummer 1. Ab 1973 war er Mitglied des Vorstandes der Deutschen Gesellschaft für gastroenterologische Endoskopie, von 1977 bis 1983 deren Sekretär und von 1983 bis 1988 deren Schatzmeister. Auf der gemeinsamen Tagung 1987 in Salzburg – es war die 42. für die DGVS und die 19. für die Endoskopiker – wurde unter der Präsidentschaft von Meinhard Classen und Harald Henning die Fusion der beiden Gesellschaften und die Bildung der Sektion Endoskopie verkündet und 1988 festgelegt. Beide Präsidenten hatten daran ganz entscheidenden Anteil.

Lange zuvor, nämlich bereits ab 1977, fungierte Henning als Schatzmeister der DGVS und war damit Mitglied des Vorstandes (ich hatte 1991 die Ehre, ihn in dieser Funktion abzulösen) und von 1977 bis 1992 war er Mitglied des Beirates. Er gehörte 1983 zum Stiftungsrat des Stipendienfonds der DGVS für junge Gastroenterologen, der auf seinen Vorschlag hin und als Ausdruck seiner Verehrung seines ersten Lehrers, Gerhardt Katsch, nach diesem genannt wurde.

Als Henning Schatzmeister wurde, übernahm er eine sehr locker gehandhabte Verwaltung der Finanzen unserer Gesellschaft, und es muss leider gesagt werden, dass auch die Zahlungsmoral der Mitglieder zu jener Zeit unzureichend war. Seine ordnende Hand, seine Hingabe und seine nicht nachlassende Gründlichkeit führten zu einer deutlichen Straffung der Verwaltung und zu einer – finanziell gesehen – sicheren Abwicklung der Jahreskongresse. In diesem Zusammenhang wurde 1997 die Gastro Orga GmbH gegründet, deren Geschäftsführer er in den ersten vier Jahren war.

Die Sektion Endoskopie und die DGVS verliehen ihm für seine engagierte und integrative Arbeit ihre Ehrenmitgliedschaften 1992 bzw. 1996. Harald Henning hat sich in vielfältiger Weise um unsere Gesellschaft verdient gemacht. Wir haben ihm viel zu verdanken.

Er verstarb am 18. November 2014 nach einem sehr erfüllten Leben und nachdem er noch einmal auf dem Familiensitz am Atlantik bei Casablanca gewesen war.

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Harald Henning 

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