Z Geburtshilfe Neonatol 2015; 219(1): 6
DOI: 10.1055/s-0034-1397595
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Entwicklung – Beschleunigen perinatale Komplikationen den Alterungsprozess?

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Publication Date:
03 March 2015 (online)

Hintergrund: Die häufig als „biologische Uhr“ bezeichnete Länge der chromosomalen Telomere stellt einen Biomarker für zelluläre Alterungsprozesse dar. Das wahrgenommene Alter eines Menschen als Korrelat der sichtbaren Gewebealterung gilt als Indikator für den Gesundheitszustand. Es wird angenommen, dass es aufgrund ungünstiger Bedingungen während einer frühen Entwicklungsphase des Menschen zu einer Programmierung chronischer Erkrankungen im Erwachsenenalter kommen kann. Shalev et al. untersuchen, ob perinatale Komplikationen mit einem beschleunigten zellulären und morphologischen Aging-Prozess assoziiert sind.

Methoden: Die Arbeitsgruppe beobachtet mit Hilfe einer prospektiven longitudinalen Studie (Dunedin Multidisciplinary Health and Development Study) eine repräsentative neuseeländische Geburtenkohorte (n = 1037) über einen Zeitraum von 38 Jahren und untersucht den Einfluss perinataler, d. h. maternaler, geburtshilflicher und neonataler Komplikationen auf den zellulären und äußerlichen Alterungsprozess. Die zwischen April 1972 und März 1973 geborenen Studienteilnehmer wurden regelmäßig bis zum Alter von 38 Jahren befragt und untersucht. Nach diesem Zeitraum lagen von 829 Personen vollständig auswertbare Daten vor. Die Leukozyten-Telomerlänge der Probanden im Alter von 38 Jahren wurde mit Hilfe der Polymerase-Kettenreaktion PCR) objektiviert. Das Alter der Studienteilnehmer wurde von 4 Studenten anhand standardisierter Gesichts-Fotografien geschätzt.

Ergebnisse: 530 Studienteilnehmer (63,9 %) hatten keine, 211 (25,5 %) hatten eine und 88 (11 %) hatten ≥ 2 perinatale Komplikationen. Die Telomerlänge und das geschätzte Alter der Studienteilnehmer zeigten eine signifikante inverse Korrelation (r = – 0,086; p = 0,01). Anhand der perinatalen Komplikationen ließen sich sowohl die Telomerlänge (β = – 0,101; 95 % CI -0,169- -0,033; p = 0,004) als auch das morphologische Alter (β = 0,097; 95 %-konfidenzintervall [KI] 0,029-0,165; p = 0,005) der männlichen und weiblichen Studienteilnehmer vorhersagen. Probanden mit mehreren perinatalen Komplikationen hatten kürzere Telomere und wirkten vorgealtert. Nach Adjustierung der Analyse hinsichtlich potentieller Einflussvariablen (Familienanamnese, kognitiver, psychischer und physischer Gesundheitszustand, Gefäßstatus, soziale Risiko) ergab sich zwar eine Abschwächung, jedoch keine vollständige Erklärung des beobachteten Zusammenhangs. Niedriges Geburtsgewicht (< 2500 g) und Small-for-Gestational-Age waren ebenfalls prädiktiv für die Telomerlänge (p = 0,03 bzw. p = 0,03) und das geschätzte Alter (p = 0,08 bzw. p = 0,01) mit 38 Jahren.

Fazit

Die Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass perinatale Komplikationen ein Early-Life-Programming hinsichtlich einer beschleunigten Alterung im mittleren Lebensabschnitt zur Folge haben. Es wurden sowohl Hinweise für eine schnellere Zellalterung als auch für eine beschleunigte äußerliche Gewebealterung gefunden. Allerdings wurden verschiedene weitere Einflussfaktoren wie beispielsweise das Alter der Eltern zum Konzeptionszeitpunkt nicht in die Analyse einbezogen. Die zukünftige Forschung, so die Autoren, müsse sich auf die molekularen Mechanismen der beobachteten Zusammenhänge konzentrieren. Zudem sei die Erforschung Aging-protektiver Faktoren von Bedeutung.

Dr. Judith Lorenz, Künzell