Z Gastroenterol 2015; 53(2): 154-155
DOI: 10.1055/s-0034-1397534
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Aus Sicht der niedergelassenen Gastroenterologen – Sektorübergreifende Kooperation in Darmzentren

Christoph Schmidt
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Publikationsdatum:
17. Februar 2015 (online)

Darmkrebsvorsorge, -früherkennung und Betreuung von Patienten mit kolorektalem Karzinom spielt in der täglichen Arbeit der Gastroenterologen eine wichtige Rolle. Häufig erfolgt die Versorgung in Darmkrebszentren. Von stationären Einrichtungen und zertifizierten Darmzentren wird der Wunsch einer engeren Kooperation mit niedergelassenen Kollegen und Kolleginnen artikuliert. Die Stellung und Bedeutung von niedergelassenen Gastroenterologen in Darmzentren ist aber unklar und Anlass zu Spekulationen und Diskussionen ohne sachliche Grundlage.

Der Berufsverband niedergelassener Gastroenterologen (bng) hat deshalb unter seinen Mitgliedern eine bundesweite repräsentative Umfrage durchgeführt, die Antworten auf viele Fragen gibt. Die Umfrage wurde von Mai bis September 2014 mit Unterstützung des Geschäftsführers des bng, Herrn R. Loibl, durchgeführt. Die Beantwortung der Fragen konnte schriftlich oder online erfolgen. 190 Gastroenterologen und Gastroenterologinnen nahmen an der Umfrage teil.

Viele sind bereits Mitglied

70,6 Prozent der Gastroenterologen sind bereits Mitglied in einem zertifizierten Darmzentrum. 29,4 Prozent verneinten die Frage nach einer Mitgliedschaft und gaben als Grund an, dass in 47,7 Prozent der Fälle kein zertifiziertes Darmzentrum in der Umgebung existiere oder in 31,8 Prozent eine Zusammenarbeit mit einem nicht zertifizierten Zentrum bestehe. 9,1 Prozent lehnten eine Zusammenarbeit ab und 11,4 Prozent hatten schlechte Erfahrungen mit Darmzentren gemacht. 18,2 Prozent hatten bisher keinen Kontakt mit einem Darmzentrum.

Insgesamt haben aber 86,5 Prozent der Befragten Interesse an einer Zusammenarbeit mit Darmzentren und sehen diese in 85,8 Prozent positiv oder zumindest teilweise positiv. Bedenken an einer Zusammenarbeit mit zertifizierten Darmzentren hatten 22,6 Prozent. Als Grund hierfür galt für 60 Prozent die zusätzliche zeitliche Beanspruchung und für 18 Prozent die Einschränkung der Selbständigkeit. 48 Prozent derjenigen, die Bedenken hatten, sahen in der Kooperation keine Vorteile für die eigene Praxis oder die Patienten.

Um das Überweisungsverhalten und den Umfang der Zusammenarbeit zu ermitteln, wurde erfragt, wer die Auswahl der stationären Einrichtung bestimmt, wenn ein Patient mit kolorektalem Karzinom weiterbehandelt werden muss. In 70 Prozent der Fälle wird dies entscheidend vom Gastroenterologen mitbestimmt, in 20 Prozent der Fälle ist der Patientenwunsch entscheidend und bei 16 Prozent der Hausarzt. Gastroenterologen schicken in 77,4 Prozent der Fälle Patienten mit kolorektalem Karzinom in ein zertifiziertes Darmzentrum zur weiteren Behandlung, 14, 1 Prozent schicken ihre Patienten in ein nicht zertifiziertes Zentrum. Wenn Patienten nicht in ein zertifiziertes Zentrum geschickt wurden, dann war in 29,5 Prozent der Fälle das Fehlen eines Zentrums und in 65,6 Prozent der Fälle ältere bestehende Kooperationen der Grund.

Es wurde auch erfragt, ob das Krankenhaus ambulante endoskopische Leistungen erbringt. 62,9 Prozent gaben an, dass das Krankenhaus ambulante endoskopische Leistungen nach § 115 SGB V erbringt und in 46,7 Prozent der Fälle nach dem früheren § 116b SGB V.


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Art der Zusammenarbeit

Gastroenterologen, die Mitglied in einem Darmzentrum sind, wurden nach der Art der Zusammenarbeit befragt. 78,4 Prozent sind Mitglied in einem von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifizierten Zentrum, 12,7 Prozent sind an mehreren Darmzentren beteiligt. 59,6 Prozent schicken ihre Patienten regelmäßig zum Chirurgen ihres Darmzentrums und 34,4 Prozent oft. Umgekehrt werden vom Krankenhaus des Darmzentrums zur weiteren Therapie (Nachsorge, onkologische Therapie, Palliativtherapie) in 31,2 Prozent der Fälle regelmäßig Patienten geschickt und in 30,92 Prozent der Fälle oft. 11,8 Prozent sehen die überwiesenen Patienten selten oder nie wieder.

Unter den Gastroenterologen sind 15,7 Prozent onkologisch für ein Darmzentrum tätig. Die Einbindung niedergelassener Gastroenterologen in das Darmzentrum ist sehr unterschiedlich. Nur 13,3 Prozent sind Mitglied im Leitungsgremium eines Darmzentrums. Von diesen sind 31 Prozent Leiter, 31 Prozent stellvertretende Leiter und 37,5 Prozent lediglich Vorstandsmitglieder. Als QM-Manager oder Vorsitzender der Tumorkonferenz ist keiner tätig.

Die Frage, ob der niedergelassene Gastroenterologe sich als gleichberechtigter Kooperationspartner in sein Darmzentrum integriert fühle, bejahten 59,7 Prozent. 32 Prozent nehmen regelmäßig oder oft an der Tumorkonferenz des Zentrums teil, 62, 6 Prozent haben außerhalb der Tumorkonferenz regelmäßig oder oft Kontakt mit ihrem Darmzentrum. An der Entwicklung des Darmzentrums werden 30,1 Prozent regelmäßig und 22,9 Prozent teilweise beteiligt. 47 Prozent gaben an, selten oder gar nicht beteiligt zu werden. 56 Prozent der Befragten gaben an, regelmäßig über die Arbeit des Darmzentrums informiert zu werden, 24 Prozent selten oder nie.

Etwa die Hälfte aller diagnostizierten kolorektalen Karzinome wird von niedergelassenen Gastroenterologen gefunden. Entgegen vielen Vermutungen sind die niedergelassenen Gastroenterologen bereits zu einem sehr hohen Anteil mit einem von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifizierten Darmzentrum vernetzt. Dort, wo dies noch nicht der Fall ist, besteht eine Kooperation mit einem nicht zertifizierten Darmzentrum und in der Hälfte der Fälle existiert kein Darmzentrum.

Die flächendeckende Versorgung mit zertifizierten Darmzentren scheint also noch nicht überall gewährleistet zu sein. Ein Teil hatte bisher keinen Kontakt mit Darmzentren und eine kleine Minderheit hatte leider schlechte Erfahrungen gemacht. Hier wäre ein Entgegenkommen der Darmzentren wünschenswert, denn das Interesse an einer Zusammenarbeit ist extrem hoch.


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Vorteile nicht immer deutlich

Es bedarf einer Überzeugungsarbeit der Zentren, um die Vorbehalte wegen zeitlicher Beanspruchung und Einschränkung der Selbständigkeit als Unternehmer und Freiberufler zu entkräften. Vielleicht wäre mehr sektorübergreifendes Verständnis für die Position des anderen wünschenswert, um Vorteile deutlich zu machen und Hemmnisse abzubauen. Bisher sieht immerhin fast die Hälfte aller Gastroenterologen mit Bedenken keinen Vorteil für die eigene Praxis und die Patienten. Das mag unter anderem auch daran liegen, dass das Engagement zunächst keinerlei Nutzen für das eigene Unternehmen zu bringen scheint und mit zusätzlichen Belastungen verbunden sein kann. Die Forderung an die Politik, für gute Qualität und Qualitätsverbesserung zu zahlen, besteht seit Jahren und der Arbeitsaufwand sowie die fehlende Umsetzung dieser Ideen im ambulanten und stationären Sektor sind hinderlich. Umgekehrt sparen die Kostenträger durch die Qualitätsverbesserung Folgekosten in erheblichem Umfang ein.

Die weitere Versorgung von Patienten, bei denen ein kolorektales Karzinom entdeckt wurde, wird überwiegend von Gastroenterologen bestimmt und trotz mancher Bedenken werden die Patienten zu einem hohen Anteil in das zertifizierte Darmzentrum geschickt. In der Regel werden die Patienten zum Chirurgen des Darmzentrums überwiesen. Umgekehrt erscheinen die Patienten in einem deutlich geringeren Anteil wieder beim niedergelassenen Gastroenterologen zur weiteren Betreuung. Ein ausgewogeneres Verhältnis der Kooperation wäre wünschenswert und sollte Ziel einer guten Kooperation unter gleichberechtigten Partnern sein.

Es kann in diesem Zusammenhang auch hinderlich sein, dass stationäre Einrichtungen in nicht unerheblichem Umfang ambulante endoskopische Leistungen erbringen, die von selbständigen, unternehmerisch tätigen Gastroenterologen in der Praxis erbracht werden können. Da niedergelassene Gastroenterologen das volle Risiko für ihre Einrichtung tragen und für alle Investitionen in vollem Umfang selbst aufkommen, kann in Einzelfällen das Gefühl einer Existenzbedrohung und unnötigen Konkurrenzsituation verstärkt werden. Die spezialfachärztliche Versorgung (ASV) könnte hier zu Lösungen solcher Probleme genutzt werden. Das Interesse daran ist groß und über 70 Prozent sehen in den Darmzentren eine Basis für den Aufbau einer solchen Versorgungsstruktur. Es bleibt zu hoffen, dass die bürokratischen Hemmnisse nicht zu groß sind, um solche Versorgungsnetze verstärkt aufzubauen.


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Mehr wäre möglich

Die Einbindung der niedergelassenen Gastroenterologen in Darmzentren ist ein Bereich, der weiter verbessert und optimiert werden könnte. Nur ein kleiner Anteil ist in Leitungsgremien der Zentren tätig und 40 Prozent fühlen sich nicht als gleichberechtigte Kooperationspartner integriert. Kontakte zum Darmzentrum bestehen teilweise nur vereinzelt und in einem hohen Prozentsatz findet keine Beteiligung an der Entwicklung des Zentrums statt. Mehr Interaktion, Kommunikation und Kooperation von beiden Seiten könnte für die Darmzentren hilfreich sein und dazu beitragen, dass dieses Modell der sektorübergreifenden Versorgung mit mehr Leben gefüllt wird und die Qualität der gemeinsamen Versorgung von Patienten mit Darmkrebs verbessert.

Die Umfrage unter den Mitgliedern des bng deckt viele Einzelheiten der Zusammenarbeit und Vernetzung von niedergelassenen Gastroenterologen mit Darmzentren auf, hilft sicher, manche Vermutungen und Vorurteile zu widerlegen und Möglichkeiten der Verbesserung der Kooperation und Integration anzudeuten. Sie kann und soll Grundlage einer Diskussion sein, die zu einer weiteren qualitativen Verbesserung der Versorgung und Vernetzung zum Nutzen aller Beteiligten führen sollte.


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