Z Gastroenterol 2015; 53(2): 153-154
DOI: 10.1055/s-0034-1397533
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GKV-VSG – Ende der freiberuflichen Fachärzte?

Franz Josef Heil
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Publication Date:
17 February 2015 (online)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

der Gesetzentwurf des GKV-VSG nimmt seinen parlamentarischen Weg. Viel ist dazu schon geschrieben worden. Die vorgesehenen Regelungen stoßen bei den niedergelassenen Fachärzten auf einhellige Ablehnung. Aus meiner Sicht verwirklicht sich in jeder kleinen Einzelregelung des Gesetzentwurfs Stück für Stück ein gesundheitspolitischer Grundgedanke: Der freiberufliche Facharzt in der inhabergeführten Praxis hat nach dem Willen der Politik ausgedient.

Der Begriff „Freiberuflichkeit“ wird bereits von einer Reihe von Politikern und Kassenfunktionären einfach neu interpretiert: Der Arzt, egal ob angestellt oder selbständig, wird aufgrund seiner (angeblich noch vorhandenen) Freiheit der ärztlichen Entscheidung als „freiberuflich“ definiert. So der Chef der Barmer-GEK, Dr. Christoph Straub, am 19.11.2014 in einem Interview mit dem Ärztenachrichtendienst änd: „Entscheidend ist doch der Status der Freiberuflichkeit. Und den hat der Arzt sowohl im Anstellungsverhältnis als auch in der Selbstständigkeit.“ Die wirtschaftliche und organisatorische Freiberuflichkeit des Praxisinhabers, wie sie z. B. in § 18 Einkommensteuergesetz definiert ist, ist damit im Handumdrehen nichts mehr, was einen eigenen Wert hat.

Passend dazu formuliert in „BDI aktuell, Januar 2015“ Birgit Wöllert, MdB, DIE LINKE, gönnerhaft: „Ärztinnen und Ärzte als Unternehmer sind nicht unerwünscht, wenn im Mittelpunkt ihres Handelns … nicht der unternehmerische Gewinn steht. (…) Für DIE LINKE ist die Freiberuflichkeit … nicht an den Status des Unternehmers gebunden“. Dr. med. Harald Terpe, MdB, von den Grünen sieht das offensichtlich auch kaum anders: „Allerdings ist die polemische Zuspitzung auf den Arzt als Unternehmer wenig hilfreich. Dadurch wird das Ökonomische betont – und nicht … die gerade von unseren Patienten erwartete berufsethische Orientierung an deren Wohl und Bedürfnissen“.

In diesen Äußerungen wird nicht nur unterstellt, dass der freiberufliche Arzt nicht mehr im Interesse seiner Patienten arbeitet, sondern der Arzt als Unternehmer wird bereits als eine Bedrohung für das Patientenwohl gesehen. Auch wenn die zitierten Äußerungen möglicherweise extreme Positionen darstellen, so sind sie aber doch charakteristisch für die aktuelle Diskussion und finden ihren Widerhall im GKV-VSG, in dem nicht eine einzige Bestimmung die Situation der niedergelassenen Fachärzte positiv beeinflusst. Ganz im Gegenteil: Ziel ist die Verlagerung der fachärztlichen Medizin aus der unternehmergeführten Arztpraxis hinein in institutionalisierte Einrichtungen.

Obwohl seit Jahrzehnten die niedergelassenen, freiberuflichen Ärzte in ihren Praxen dafür gesorgt haben, dass unser Gesundheitssystem zu den besten der Welt mit unvergleichlich kurzen Wartezeiten auf eine Facharztbehandlung gehört, und obwohl die niedergelassenen Ärzte seit Jahren durch den Verzicht auf bis zu 30 Prozent der Vergütung ihrer Leistung das Gesundheitssystem finanziell über Wasser halten, ist offensichtlich eine Wertschätzung oder gar Unterstützung der echten Freiberuflichkeit nicht mehr zu erwarten. Es scheint, dass wir niedergelassenen Fachärzte nur noch als Auslaufmodell geduldet werden.

Richtig schlimm an dem Ganzen ist, dass als Reaktion auf die vorgesehenen Regelungen eine bei vielen niedergelassenen Ärzten schon vorhandene Frustration wächst und eine allgemeine Depression oder Resignation droht. Viele Kollegen sagen ganz offen, dass sie sich gar nicht mehr auf die schwierige Suche nach einem Praxisnachfolger machen wollen. Wie könne man denn überhaupt einen übernahmewilligen Kollegen finden, wenn nach dem Wille des Gesetzgebers der Bestand der Praxis vom Zulassungsausschuss verweigert werden soll? Dann solle doch lieber gleich die KV oder ein Klinik-MVZ die Praxis aufkaufen oder übernehmen und den bisher selbständigen Arzt als Angestellten bezahlen, bis er sich nach ein paar Jahren zur Ruhe setzt. Was soll’s! Nach mir die Sintflut!

Sind wir niedergelassenen Fachärzte in unseren Praxen also bald am Ende? Ich glaube, soweit ist es noch lange nicht. Ich und viele andere, die in ärztlichen Berufsverbänden aktiv sind, werden sich vielmehr dafür einsetzen, dass die angestoßene Fehlentwicklung nicht weitergeht.

Das Gesundheitssystem wird sich immer weiter verändern, und damit auch unsere Rolle darin. Die Grenze zwischen Krankenhäusern und Praxen wird neu zu definieren sein. Die Erfahrung zeigt aber, dass niedergelassene Ärzte ambulante Medizin viel effektiver organisieren können als Kliniken. Da liegt eine große Chance, denn wir Ärzte werden zur Versorgung der Patienten mit Sicherheit gebraucht. Und wenn wir zur Mangelware werden, dann steigt auch unser Wert, nicht nur finanziell, sondern auch im Sinne der Wertschätzung unserer Arbeit. Das sollten wir nutzen und unverdrossen für eine Stärkung unserer Position als echte Freiberufler kämpfen. Und das wird, wie die Vergangenheit schon gezeigt hat, nicht nur uns, sondern vor allem auch unseren Patienten zu Gute kommen.


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