Sprache · Stimme · Gehör 2014; 38(04): 158-162
DOI: 10.1055/s-0034-1395632
Schwerpunktthema
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Frühe sprachliche Bildung beobachten und begleiten

Sprachförderung und Sprachtherapie bei mehr- und einsprachigen Kindern unter 3 JahrenObserving and Assisting Early Language DevelopmentLanguage Support and Language Therapy in Multi- and Monolingual Children under the Age of 3
I. Füssenich
1   Fakultät für Sonderpädagogik, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg
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Publication Date:
09 January 2015 (online)

Zusammenfassung

Die Beobachtung und Dokumentation der frühen sprachlichen Bildung bei Kindern eröffnet die Chance, möglichst frühzeitig Kinder zu erkennen, die eine intensive Unterstützung benötigen. „Late Talker“ gelten als Risikogruppe.

Diese Kinder sprechen mit 2 Jahren weniger als 50 Wörter. Doch ein Blick auf die Definition und die Ausschlusskriterien von „Late Talker“ zeigt, dass 2-jährige Kinder keine homogene Gruppe darstellen. Außerdem ist der Erwerb der ersten Wörter das Endresultat eines psychologischen Prozesses, an dem die Bezugspersonen der Kinder ebenso beteiligt sind wie die Kinder. Diese frühen Meilensteine der sprachlichen Bildung zu beobachten und zu begleiten ist Aufgabe von pädagogischen Fachkräften und Sprachtherapeuten und lässt sich nicht auf die Anzahl von Wörtern reduzieren. Vielmehr ist es bedeutsamer, auf die Meilensteine der frühkindlichen Bildung zu blicken, die Kinder durchlaufen, bis sie erste Wörter äußern. Weiterhin ist das sprachliche Handeln von Bezugspersonen bedeutsam.

Andererseits gibt es Kinder, die nach dem Erwerb der ersten 50 Wörter zeigen, dass sie beim Erwerb der Regeln von Aussprache und Grammatik den üblichen Meilensteinen der sprachlichen Bildung nicht folgen. Diese Kinder zu erkennen ist ebenfalls ein wichtiger Beitrag zur Früherkennung von Schwierigkeiten bei der sprachlichen Bildung.

Abstract

Observing and assisting the early development of language abilities in children, along with study and documentation of their emerging language processes, opens up the chance to recognize children who are in need of intensive support as soon as possible. „Late talkers“ are regarded as a group at risk.

These children communicate at 2 years of age with less than 50 words. However, a look at the definition and exclusion criteria for „late talkers“ shows that 2-year-old children do not by any means constitute a homogeneous group. The acquisition of first words is the upshot of a psychological process in which the reference persons of the children are likewise involved. Closely observing and providing assistance at these early milestones of language development is the task of trained pedagogic professionals and language therapists and cannot be reduced to the number of words. Rather, it is much more to the point to look at the milestones of development passed by the children in their earliest years until they utter their first words. In addition, the linguistic activity of reference persons is significant.

On the other hand, some children show after acquiring their first 50 words that their path does not follow the normal milestones of language development as they absorb the rules of pronunciation and grammar. Recognition of these children is also and likewise a contribution to early recognition of difficulties in linguistic development.

 
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