Laryngorhinootologie 2015; 94(03): 179-181
DOI: 10.1055/s-0034-1394391
Der interessante Fall
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Eine seltene Ursache akuter Dysphagie mit Hypoglossusparese und einseitigem Hörverlust

Rare Cause of Acute Dysphagia, Hypoglossal Nerve Palsy and Unilateral Hearing Impairment
C. M. Weber
1   Klinik und Poliklinik für Hals-,Nasen-, Ohren-Heilkunde, Medizinische Hochschule Hannover
› Author Affiliations
T. Lenarz
1   Klinik und Poliklinik für Hals-,Nasen-, Ohren-Heilkunde, Medizinische Hochschule Hannover
,
M. Teschner
1   Klinik und Poliklinik für Hals-,Nasen-, Ohren-Heilkunde, Medizinische Hochschule Hannover
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
27 November 2014 (online)

Der Fall

Eine 59-jährige Patientin wurde mit dem sonografischen Verdacht auf eine infizierte, laterale Halszyste zur weiteren Abklärung und Behandlung überwiesen.

Die Patientin beklagte eine leicht schmerzhafte Schwellung zervikal links, die seit ca. 5 Tagen bestünde. Des Weiteren bestünde eine Dysphagie seit dem Vortag, wobei Speisen, Getränke und Tabletten ohne Probleme zugeführt werden konnten. Ebenso sei eine leicht erhöhte Körpertemperatur von 37,4–38,0+°C gemessen worden.

Vorerkrankungen der Patientin

  • Z. n. S1-Segmentresektion (R0) rechte Lunge mit adjuvanter Radio-Chemotherapie bei einem primitiven neuroektodermalen Tumor (1999)

  • Z. n. asymptomatischer Lungenembolie unter Radio-Chemotherapie (1999)

  • Z. n. allogener peripherer Stammzelltransplantation (PBSCT) bei sekundärem myelodysplastischem Syndrom (RAEB-1) (2008)

  • Z. n. Mamma-CA-Resektion (2013)

  • Z. n. Portimplantation, Chemotherapie mit Paclitaxel und Carboplatin (2013)

  • Aktuell: adjuvante Radiatio (2014)


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Klinischer Befund

In der hals-, nasen-, ohrenärztlichen Spiegeluntersuchung fand sich flexibel endoskopisch eine geringe Vorwölbung der linken lateralen Pharynxwand sowie ein nach rechts verlagertes Larynxskelett ohne Hinweis für eine akute Infektion. Des Weiteren zeigte sich eine Hypoglossusparese links. Palpatorisch war eine derbe, druckschmerzhafte Raumforderung links zervikal abgrenzbar. Die Kopfrotation zur rechten Seite gelang nur unter Schmerzen. Der übrige Befund war unauffällig.


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Diagnostik

Laborchemisch zeigte sich eine massive Erhöhung des CRP auf 192 mg/l (Ref.: <8 mg/l). Im Blutbild fand sich eine Leukozytose von 22,3 Tsd/μl (Ref.: 4,4–11,3 Tsd/μl). Das übrige Blutbild zeigte regelrechte Werte.

Sonografisch fand sich links zervikal eine ovaläre, scharf begrenzte, langstreckige Raumforderung mit einem Durchmesser von ca. 2×1,5 cm unterhalb des Musculus sternocleidomastoideus und oberhalb der Arteria carotis communis. Die unklare Formation zeigte einen homogenen, hypodensen Inhalt ohne messbare Perfusion (Doppler) ([Abb. 1]).

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Abb. 1 Sonografie zervikal links (B-Scan, Linear, 7,5 MHz; axial) mit erweiterter Jugularvene (Pfeil oben) und Arteria carotis (Pfeil unten).

In einer daraufhin durchgeführten CT und MRT des Halses konnte eine ausgedehnte Thrombosierung der linken Vena jugularis (mit V. jugularis interna und externa) mit Distension der Vene und V. a. Thrombophlebitis abgegrenzt werden. Die Thrombosierung reichte vom linken Sinus sigmoideus/transversus bis zur Einmündung der Vena cava superior. Der Thrombus setzte sich fort in die linke Vena subclavia. Weiter zeigt sich eine am cavoatrialen Übergang endende Portkatheterspitze ([Abb. 2]).

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Abb. 2 a, b CT (axial und sagittal) mit erweiterter linker Vena jugularis (Pfeil); c CT (koronar) mit Port-System in situ (Pfeil); d MRT (sagittal, T1-gewichtet) mit Thrombose der V. jugularis interna und Sinus sigmoideus (Pfeil).

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Diagnose

Langstreckige Jugularvenenthrombose links mit V. a. Thrombophlebitis.


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Stationärer Verlauf

Es folgte eine interdisziplinäre internistisch, gefäß- und neurochirurgische Mitbeurteilung. Hier wurde aufgrund der potenziellen Sepsisgefahr durch Thrombenverschleppung von einer Venenresektion oder Thrombektomie abgeraten. Die Portanlage verblieb in situ.

Daraufhin wurde umgehend eine Vollheparinisierung eingeleitet sowie eine antibiotische Abdeckung mit Clindamycin/Rocephin vorgenommen. In den Blutkulturen waren zuvor keine Erreger nachweisbar.

Der stationäre Verlauf zeigte eine deutliche Regredienz der Schmerzsymptomatik. Eine erneute HNO-ärztliche Verlaufsbegutachtung zeigte eine rückläufige Hypoglossusparese links. Am 2. stationären Tag erlitt die Patientin eine akute Hörminderung mit Rauschen und Druckgefühl ohne Schwindel. Die Tonaudiometrie zeigte eine tief- und hochtonbetonte Innenohrschwerhörigkeit links mit Kurvenabfall bis auf 60 dB bei 125 Hz ([Abb. 3a]). Aufgrund der Tumor-Vorerkrankung sowie der aktuellen Thrombose wurde internistischerseits von der HNO-ärztlich empfohlenen rheologischen Infusionstherapie sowie einer hoch dosierten intravenösen Kortisongabe abgeraten.

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Abb. 3 a Tonaudiometrie (stationärer Aufenthalt), b Tonaudiometrie (poststationäre Verlaufskontrolle nach 4 Monaten).

Nach 12 Tagen konnte die Patientin nach komplikationslosem Aufenthalt in die ambulante Weiterbehandlung entlassen werden. In einer ambulanten CT-Verlaufskontrolle 2 Wochen nach Entlassung, zeigte sich eine deutliche Kaliberreduktion der V. jugularis interna links ([Abb. 4]). Sowohl die laborparametrischen Entzündungszeichen als auch die Überprüfung der Hypoglossusfunktion mit Testung der Zungenbeweglichkeit ergaben einen Normalbefund. In einer audiometrischen Kontrolle nach 6 Monaten fand sich wieder eine Normakusis (mit C5-Senke) bds. ([Abb. 3b]).

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Abb. 4 CT-Kontrolle (axial) V. jugularis links mit persistenter Thrombose, aber deutlicher Kaliberreduktion der Vene (vgl. Voraufnahmen) (Pfeil).

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