TumorDiagnostik & Therapie 2014; 35 - A9
DOI: 10.1055/s-0034-1389170

Von der Diagnostik zur Therapieentscheidung: Ein Fallbeispiel

M Rieger 1
  • 1Darmstadt

Das Myelodysplastische Syndrom (MDS) ist eine heterogene Gruppe von klonalen Knochenmarkserkrankungen, welche sich durch eine ineffektive Hämatopoese im Knochenmark, Zytopenien im peripheren Blut und dem Risiko einer Transformation in eine akute myeloische Leukämie auszeichnen. Die Behandlung des Niedrigrisiko-MDS mit isolierter Deletion 5q- wurde mit der Einführung von Lenalidomid revolutioniert. Im Folgendem wird der Behandlungsverlauf einer 69-jährigen Patientin beschrieben, welche aufgrund einer zunehmenden körperlichen Schwäche, Müdigkeit und Atemnot bei erstmalig festgestellter Anämie zur weiteren Diagnostik stationär eingewiesen wurde. Ansonsten bestanden keine wesentlichen Begleiterkrankungen. Laborchemisch zeigte sich eine makrozytäre Anämie (Hb 7,4 g/dl; MCV 117fl) bei gleichzeitig normaler Thrombozyten- bzw. Leukozytenzahl (308/nl bzw. 4,3/nl mit absoluter Neutrophilenzahl 2,2/nl). Die LDH, die VitaminB12- und Folsäurekonzentration lagen im Normbereich. Serum-Ferritin (184 µg/l) war leicht und Erythropoetin (853 U/l) im Serum war deutlich erhöht. Die Milz zeigte sich sonographisch vergrößert (14,5 × 4,5 cm) bei ansonsten unauffälliger Abdominalsonografie. Im Rahmen der Knochenmarkdiagnostik zeigte sich ein hyperzelluläres Knochenmark mit Nachweis von hypolobulierten und einkernigen Megakaryozyten mit teilweise exzentrisch liegendem Kern und typischer „Spiegelei-Konformation“. Zudem keine Vermehrung von myeloischen Blasten und kein Nachweis von Ringsideroblasten. Nebenbefundlich zeigte sich zytologisch eine herdförmige Infiltration mit lymphoiden Zellen, wobei knochenmarkhistologisch peritrabikuläre lymphoide Infiltrate (CD20+, CyclinD1-, CD10-, CD23-), ca. 20% des Zellgehaltes einnehmend, beschrieben wurde. In der Durchflusszytometrie des Knochenmarkblutes wurden ein aberrantes CD11b-CD16-Expressionsmuster der Granulozyten, eine verminderte Expression von CD11b, CD13, CD14 und CD33 der Monozyten und eine regelrechte Expression von CD71 der erythropoetischen Zellen beschrieben. Nebenbefundlich Nachweis einer reifen B-lymphatischen Population (2%) mit dem Phänotyp CD19+, CD5+, CD20+, CD22+, FMC7+, CD79b+, CD23- und CD10-. Die klassische Zytogenetik zeigte eine isolierte Deletion im langen Arm eines Chromosoms 5. CT-morphologisch ergaben sich neben der bereits bekannten Splenomegalie keine Hinweise auf eine zusätzlich bestehende Lymphadenopathie. Aufgrund der erhobenen Befunde wurde ein Niedrigrisiko-MDS mit isolierter Deletion 5q mit nebenbefundlicher Knochenmarkinfiltration durch eine reife B-Zellneoplasie diagnostiziert. Zunächst erfolgte aufgrund der symptomatischen Anämie und der fehlenden Zulassung von Lenalidomid etwa alle 6 – 8 Wochen eine Transfusion von Erythrozytenkonzentraten. Nachdem insgesamt 13 Erythrozytenkonzentrate transfundiert wurden und Lenalidomid zwischenzeitlich zur Behandlung des MDS mit Deletion 5q zugelassen wurde, wurde eine Behandlung mit Lenalidomid (Lenalidomid 10 mg Tag 1 – 2, Wiederholung Tag 29) begonnen. Bereits nach einem Zyklus bestand keine Transfusionsbedürftigkeit mehr und die Behandlung wurde bis dato ohne relevante Nebenwirkungen gut vertragen. Nach 10 Zyklen Lenalidomid: Hämoglobin 13,5 g/dl, MCV 97,3fl, Leukozyten 4,8/nl (neutrophile Granulozyten 2,9/nl) und Thrombozytopenie 109/nl. Zusammenfassend zeigt sich hier unter der Therapie mit Lenalidomid ein sehr erfreulicher Verlauf, bemerkenswert ist insbesondere das rasche Erreichen einer vollständigen Transfusionsunabhängigkeit.