TumorDiagnostik & Therapie 2014; 35 - A3
DOI: 10.1055/s-0034-1389164

Von der FAB- über die Düsseldorf- zur WHO-Klassifikation

U Germing 1
  • 1Düsseldorf

1982 hat eine Französisch-Britisch-Amerikanische Arbeitsgruppe aus Pathologen die bis dahin nicht klar definierten Krankheitsbilder der Präleukämien formal klassifiziert (1). Methodische Grundlage waren Mikroskopierworkshops mit zytologischer Beurteilung von Blut- und Knochenmarkpräparaten von etwa 50 Patienten. Gemeinsamer Nenner der Präparate war, dass sie als potentiell präleukämisch erachtet wurden und im unterschiedlichen Ausmaß Dysplasiezeichen aufwiesen. Einteilungskriterien der resultierenden Klassifikation waren Blastenanteil, Nachweis von Ringsideroblasten und Auerstäbchen und Zahl der Monozyten im Blut. Der Begriff „myelodysplastische Syndrome“ ersetzte den vormals gebräuchlichen Terminus der Präleukämien. Die refraktäre Anämie (RA), die RA mit Ringsideroblasten (RARS), die RA mit Blastenexzess (RAEB), die RAEB in Transformation zur AML (RAEB-T) und die chronische myelomonozytäre Leukämie (CMML) waren die neu definierten Kategorien. Die Anwendbarkeit und prognostische Aussagekraft dieser Klassifikation konnten rasch validiert werden, weswegen sie sich weltweit durchsetzte und Einzug in den klinischen Alltag fand.

Unmittelbar nach Publikation dieser Arbeit wurde in Düsseldorf das MDS Register von Prof. Aul etabliert, in dem anhand einheitlicher Methodik MDS Patienten diagnostiziert und durch Nachbeobachtung im Krankheitsverlauf beschrieben wurden. Wenige Jahre später wurde anhand der Daten aus dem MDS Register klar, dass trotz der Robustheit der Klassifikation eine verfeinerte Einteilung nötig wurde.

So zeigte sich zum Beispiel, dass die Mehrheit der Patienten mit RA nicht nur anämisch, sondern meist bizytopenisch oder panzytopenisch ist und daher die Bezeichnung „Refraktäre Anämie“ irreführend ist.

Die eigentliche Initialzündung für eine neue Klassifikation aber war die Beobachtung, dass das Ausmaß der Dysplasiezeichen in Blut und Knochenmark eine große Rolle für die Prognose der Patienten spielt. So konnte 1990 gezeigt werden, dass Patienten mit unilineär erythrodysplastischer RARS meist nur eine Anämie, einen günstigen Karyotyp, eine sehr niedrige Progressionsrate und eine gute Prognose haben, während Patienten mit multilineären Dysplasien (Dysmegakaryopoiese und/oder Dysgranulopoiese) einen deutlich aggressiveren Krankheitsverlauf haben (2). Diese Beobachtung wundert eigentlich nicht, werden doch in der Onkologie bei zahlreichen Entitäten Dysplasien und das Ausmaß der Expansion eines malignen Zellklons für klassifikatorische und prognostische Erwägungen herangezogen.

Im Gefolge dieser Arbeit und unter Berücksichtigung weiterer Arbeiten (3, 4) schlug eine Pathologengruppe der WHO 1999 eine differenziertere Klassifikation vor, die 2008 ihre momentan gültige Ausgestaltung fand (5).

Diese Klassifikation berücksichtigt Ausmaß der Dysplasien, peripheren und medullären Blastenanteil, Karyotyp und Zellzahlen im Blut. Sie ist prognostisch von überragender Bedeutung, hat aber ebenfalls einige nachrangige Schwächen in Bezug auf seltene MDS Untergruppen und semantischer Art. Im April 2014 gab es an der Universität Chicago ein erneutes Treffen von Pathologen und diagnostisch tätigen Hämatologen mit dem Ziel einer weiteren Verbesserung.

Klar ist aber, dass sich trotz aller klassifikatorischen Bemühungen biologische Phänomene nicht in ein starres Korsett pressen lassen und dass insbesondere bei den ohnehin extrem heterogenen MDS niemals eine allumfassende Einteilung möglich ist.

Referenzen:

[1] Bennett JM, Catovsky D, Daniel MT et al. Proposals for the classification of the myelodysplastic syndromes. Br J Haematol 1982;51:189 – 199

[2] Gattermann N, Aul C, Schneider W (1990) Two types of acquired idiopathic sideroblastic anaemia (AISA). Br J Haematol 74: 45 – 52

[3] Strupp C, Gattermann N, Giagounidis A, et al (2003) Refractory anemia with excess of blasts in transformation: analysis of reclassification according to the WHO proposals. Leuk Res 27: 397 – 404

[4] Germing U, Gattermann N, Minning H, et al (1998) Problems in the classification of CMML–dysplastic versus proliferative type. Leuk Res 22:871 – 878

[5] Brunning RD, Orazi A, Germing U, et al: Myelodysplastic syndromes/neoplasms. In: Swerdlow SH, Campo E, Harris NL, Jaffe ES, Pileri SA, Stein H, Thiele J, Vardiman J: WHO classification of tumours of haematopoietic and lymphoid tissues. IARC press, Lyon, 2008