Geburtshilfe Frauenheilkd 2014; 74 - PO_Geb05_02
DOI: 10.1055/s-0034-1388102

Das Rubinstein-Taybi-Syndrom – Eine seltene Differentialdiagnose der Mikrozephalie

MAD Schuhmacher 1, B Schiessl 2, N Sterk 1, L de Vries 1, I Kleinlein 3, D Grab 1
  • 1Städt. Klinikum München GmbH, Frauenklinik Harlaching, München, Germany
  • 2Praxis für Pränatal-Medizin, München, Germany
  • 3Städt. Klinikum München GmbH, Institut für Pathologie, München, Germany

Einleitung: 1963 beschrieben Rubinstein und Taybi an sieben Kindern einen sehr seltenen (Inzidenz 1: 300.000), geschlechterunspezifischen Syndrom-Komplex mit folgenden Charakteristika: Mikrozephalie mit geistiger Retardierung (IQ-Range 20 – 80), breite Daumen, große Zehen und charakteristische flachstirnige Gesichter mit hochgewölbtem Gaumen, hypoplastischer Maxilla, fliehendem Kinn, antimongoloiden Lidspalten und spitzer Nase bei breiter Nasenwurzel.

Fallberichte:

Fall 1: Bei einer 1G0P erfolgte wegen eines mit 10 SSW diagnostizierten ausgeprägten Nackenödems die Chorionzottenbiopsie. Die Karyotypisierung ergab einen unauffälligen Chromosomensatz, die Organdiagnostik im 2. Trimenon zeigte keine sonomorphologischen Auffälligkeiten. Anschließend wurde vermindertes Kopfwachstum registriert. Mit 34 SSW kam es nach vorzeitigem Blasensprung zur Spontangeburt eines Kindes mit den Stigmata eines Rubinstein-Taybi-Syndroms, die erst postpartal diagnostiziert wurden.

Fall 2: Die Zuweisung einer IIGIP ins Perinatalzentrum erfolgte mit 21 SSW wegen in der Stufe II Diagnostik festgestellten Auffälligkeiten: Im Ersttrimesterscreening zeigten sich Fehlstellungen der Hände und ein auffälliges Profil. Die Zytogenetik ergab einen unauffälligen männlichen Chromosomensatz. In der Detailsonografie in 20+3 SSW fielen ein Kopfumfang < 5. Perzentile und eine Daumenfehlbildung mit gedoppelter Daumenphalanx auf. Aufgrund des dringenden Verdachts auf eine syndromale Erkrankung (Rubinstein-Taybi-Syndrom) mit hoher Wahrscheinlichkeit für eine schwere mentale Retardierung wurde in 21+6 SSW der Fetocid durchgeführt. Postpartal bestätigten sich Mikrozephalie und Duplikatur des Daumens.

Schlussfolgerung: Das Rubinstein-Taybi-Syndrom ist eine seltene Differentialdiagnose der Mikrozephalie in Kombination mit skelettaler Fehlbildung. Da das Syndrom sich nur in einem Teil der Fälle anhand Mikrodeletionen auf den Chromosomen 16 und 22 pränatal diagnostizieren lässt, können die genannten Symptome die einzigen Hinweise darauf sein, wobei die Abnormalitäten von Fingern und Zehen pathognomonisch bedeutsam sind.