Gesundheitswesen 2015; 77(10): 768-774
DOI: 10.1055/s-0034-1387758
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Der Umgang mit Wartezeiten in Gesundheitssystemen – Ein international vergleichender Überblick

Dealing with Waiting Times in Health Systems – An International Comparative Overview
V. Finkenstädt
1   Wissenschaftliches Institut der PKV (WIP), Köln
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
19. November 2014 (online)

Zusammenfassung

Ziel der Studie: Wartezeiten im Gesundheitssystem sind eine Form von Rationierung, die in vielen Ländern existiert. Bisherige Untersuchungen zu diesem Thema beziehen sich hauptsächlich auf das Problem der internationalen Vergleichbarkeit von Wartezeiten oder auf die Darstellung nationaler Strategien zu deren Reduzierung. Die vorliegende Studie ergänzt diese Analysen und untersucht, wie die einzelnen OECD-Länder mit Wartezeiten im Gesundheitssystem umgehen und welche Informationen über Wartezeiten zu welchem Zweck veröffentlicht werden. Zudem erfolgt eine Gegenüberstellung von Wartezeiten und ­Finanzierungsform des Gesundheitssystems.

Methodik: Es wurde eine systematische Internetrecherche zu Wartezeiten im Gesundheitssystem auf den Homepages der zuständigen Stellen (Gesundheitsministerium oder andere Behörden und Institute) durchgeführt. Die recherchierten Veröffentlichungen wurden dann auf die Zielsetzung ihrer Bereitstellung untersucht. Schließlich erfolgte eine Auswertung der OECD-Gesundheitsdaten, um das Verhältnis zwischen Steuer- und Beitragsfinanzierung der öffentlichen Gesundheitsausgabe zu bestimmen. Die vorrangige Finanzierungsform und die zuvor recherchierte Verfügbarkeit von offiziellen Informationen zu Wartezeiten wurden gegenübergestellt.

Ergebnisse: Es können 16 OECD-Länder identifiziert werden, die administrative Daten zu Wartezeiten offiziell erfassen und im Internet veröffentlichen. Die Daten sind je nach Land unterschiedlich aufbereitet. Mit der Bereitstellung dieser Informationen werden hauptsächlich zwei Ziele verfolgt: Ein öffentliches Monitoring von Wartezeiten im Gesundheitssystem (14 Länder) und eine Information für Patienten über Wartezeiten (9 Länder). Offizielle Statistiken zu Wartezeiten existieren hauptsächlich in Ländern, die die Absicherung des Krankheitsfalls über ein steuerfinanziertes Einheitssystem organisieren, während dies in der Mehrzahl der OECD-Länder mit beitragsfinanzierten Krankenversicherungssystemen nicht der Fall ist.

Schlussfolgerung: Die Veröffentlichung administrativer Daten zu Wartezeiten dient in erster Linie der Patienteninformation und als Performance-Indikator in Bezug auf den Zugang zur Gesundheitsversorgung. Auch wenn Daten zu Wartezeiten veröffentlicht werden, führt allein die Publikation von Indikatoren und die Verwaltung von Wartelisten nicht zur Lösung des Problems. Vielmehr zeigt die Analyse, dass in steuerfinanzierten Gesundheitssystemen der Zugang zur medizinischen Versorgung vielfach rationiert wird und eine Steuerung über Wartelisten sehr verbreitet ist.

Abstract

Objectives: Waiting times in the health system are a form of rationing that exists in many countries. Previous studies on this topic are mainly related to the problem of international comparability of waiting times or on the presentation of national strategies as to how they should be reduced. This review adds to this analysis and examines how the OECD countries deal with waiting times in the health-care system and investigates which information is published about waiting for what purpose. Furthermore, waiting times and the type of health system financing are compared.

Methods: A systematic internet research on waiting times in the health-care system was conducted on the websites of the competent authorities (Ministry of Health or other authorities and institutions). The identified publications were then examined for the purpose of their deployment. Finally, the OECD Health Data were analysed to determine the relationship between tax and contribution financing of public health care expenditure. The primary form of financing was compared with the results of the waiting time analysis.

Results: 16 OECD countries are identified which officially collect and publish administrative data on waiting times on the Internet. The data are processed differently depending on the country. By providing this information, two main objectives are pursued: a public monitoring of waiting times in the health system (14 countries) and information for patients on waiting times (9 countries). Official statistics on waiting times exist mainly in countries with tax-financed health systems, whereas this is not the case in the majority of OECD countries with health systems that are funded through contributions.

Conclusion: The publication of administrative waiting times data is primarily intended to inform the patient and as a performance indicator in terms of access to health care. Even if data on waiting times are published, the publication of indicators and the management of waiting lists alone will not solve the problem. Rather, the analysis shows that in tax-funded health systems access to medical care is frequently rationed and the demand side is often regulated by waiting lists.