Gesundheitswesen 2014; 76 - A219
DOI: 10.1055/s-0034-1387069

Wissenschafts-Praxis-Partnerschaften – was stärkt wen? Welche Strukturentwicklung findet statt?

A Wolff 1, Z Majzik 2, A Frahsa 1, A Rütten 1
  • 1Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen
  • 2Stadt Erlangen, Erlangen

Hintergrund: Im Modellprojekt „Bewegung als Investition in Gesundheit“ (BIG) der Präventionsforschung des Bundes wurde in Erlangen seit 2005 in Form kooperativer Planungsgruppen eine intersektorale Kooperation zur Bewegungsförderung von Frauen in schwierigen Lebenslagen geschaffen. Unter Einbeziehung der Zielgruppe, von Sportvereinsvertreter/innen, lokalen Basisexpert/innen und politischen Entscheidungsträger/innen werden in diesem Rahmen erfolgreich verhaltens- und verhältnisorientierte Bewegungsaktivitäten geplant und implementiert.

Im Anschluss an das wissenschaftliche Modellprojekt wurde zum Teil bis heute sowohl die Begleitung der Nachhaltigkeitssicherung von BIG in Erlangen als auch der Transfer des BIG-Ansatzes auf weitere Standorte mit dem Ziel der Einleitung einer flächendeckenden Disseminierung durch die Gesundheitsinitiative Gesund.Leben.Bayern, IN FORM und die BARMER GEK gefördert. Dies ermöglichte den Aufbau einer langfristigen Wissenschafts-Praxis-Partnerschaft zur Gesundheitsförderung durch Sport und Bewegung. Aufbauend auf dieser Partnerschaft auf kommunaler Ebene in Erlangen konnte im Jahr 2010 ein wissenschaftliches Modellprojekt zur Demenzprävention (GESTALT) implementiert und in die Nachhaltigkeit überführt werden.

Daten: Daten zur partizipativen Strategieentwicklung, zur Programmaufrechterhaltung und Nachhaltigkeit werden fortlaufend aus dem Modellprojekt BIG sowie aus den daraus folgenden Transferprojekten sowie dem Projekt GESTALT über teilnehmende Beobachtung, qualitative Interviews, informelle Gespräche mit Informanten, Gruppendiskussionen und Dokumentenanalysen erhoben. Zu den teilnehmenden Beobachtungen sowie den informellen Gesprächen werden systematisch Feldnotizen angefertigt, die Interviews und Gruppendiskussionen werden aufgezeichnet und anschließen transkribiert.

Ergebnisse: Die Wissenschafts-Praxis-Partnerschaft stärkt die Praxispartner in Erlangen in der Phase der Nachhaltigkeit nach Übernahme der Trägerschaft für das Modellprojekt, indem sie eine fortlaufende gemeinsame Reflexion ermöglicht. Dabei können in der schwierigen Phase der Verstetigung bei aufkommenden Schwierigkeiten gemeinsam Lösungsstrategien entwickelt und durchgeführt werden, wie z.B. Evaluationen zum Nachweis der Zielgruppenerreichung, deren Aufbereitung in Präsentationen und damit Gewinnung politischer Entscheidungsträger/innen für die Absicherung des BIG-Projekts über Haushaltsmittel. Durch die Partnerschaft erhält die Wissenschaft Zugang zu Informationen zu den Determinanten der Nachhaltigkeit von Programmen und der mit der Verstetigung verbundenen Prozesse. Die dabei gewonnenen Daten fließen einerseits in wissenschaftliche Publikationen ein, zum anderen wurden sie in einer Schritt-für-Schritt-Anleitung für die Praxis (BIG Manual) aufbereitet. Damit verbessern die in der Wissenschaft-Praxis-Partnerschaft in Erlangen und in anderen Kommunen entwickelten Strategien den Transfer des BIG-Ansatzes auf weitere Standorte und sorgen damit für eine höhere Effizienz bei der weiteren Disseminierung des BIG-Ansatzes in die Präventionspraxis.

Über das ursprüngliche Modellprojekt hinaus bildete die im Rahmen von BIG geschaffene Wissenschaft-Praxis-Partnerschaft auf kommunaler Ebene die Grundlage für eine erfolgreiche Kooperation bei der Implementierung und Verstetigung eines weiteren Bewegungsförderungsprojekts (GESTALT). Das führte wiederum zu verstärkten Kooperationen von Akteuren der lokalen Präventionspraxis und trägt inzwischen maßgeblich zur Entwicklung einer kommunalen Gesundheitsförderungsstrategie in Erlangen bei.

Schlussfolgerung: Eine Wissenschafts-Praxis-Partnerschaft kann einen wesentlichen Beitrag zur kommunalen Strukturentwicklung in Hinblick auf die Verstetigung und Disseminierung von Gesundheitsförderungsprogrammen leisten. Um die Verstetigungschancen von Gesundheitsförderungsprogrammen zu verbessern, sollten solche Partnerschaften nicht mit Ablauf der Förderung wissenschaftlicher Modellprojekte enden, sondern langfristig weiter entwickelt werden. Dies erfordert auch Anpassungen der Forschungsförderungsstrukturen hin zu einer längerfristigen Begleitung nachhaltiger Implementierung durch die Wissenschaft.