Gesundheitswesen 2014; 76 - A127
DOI: 10.1055/s-0034-1386977

Können Social Media einen Beitrag zur Gesundheitsförderung leisten?

G Nöcker 1, S Siegert 2, T Quast 3, M Tomse 4, J Hoewner 5
  • 1Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Köln
  • 2BZGA
  • 3ComX, Bochum
  • 4Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Köln
  • 5K12 Agentur für Kommunikation, Düsseldorf

Einleitung/Hintergrund: Mit der Entwicklung neuer internetbasierter Kommunikationsangebote werden große Hoffnungen in Bezug auf die Reichweite und Wirksamkeit von gesundheitskommunikativen Angeboten verknüpft. Neuere Studien (Thackeray et al. 2012) sehen den Nutzen von sozialen Medien insbesondere in der Ermutigung und sozialen Unterstützung von Verhaltensänderung, der persönlichen Positionierung und Reflexion sozialer Normen, Förderung von gemeinschaftlichem Handeln zur Durchführung von Gesundheitsaktionen, gezielterer und schnellerer Information von Zielgruppen sowie der Möglichkeit zur Beobachtung öffentlicher Wahrnehmung von spezifischen Gesundheitsthemen (Monitoring). Empirische Evidenzen für den Nutzen von Social Media Applikationen in Deutschland sind jedoch ein noch wenig beforschter Untersuchungsgegenstand. 2012 hat die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ein Pilotprojekt zur Erprobung ausgewählter Social Media Applikationen in zwei Themenfeldern (Sexualaufklärung und Familienplanung) begonnen, das zur Klärung von Einsetzbarkeits- und Akzeptanzfragen sowie der Effizienz dieser Medien in der gesundheitlichen Aufklärung beitragen soll. Der Beitrag stellt das Design des Pilotprojektes und Ergebnisse im Themenbereich Familienplanung am Beispiel von Interventionen auf Facebook und auf ausgewählten Foren (Webcare) vor.

Daten und Methodik: Erprobung von neun Interventionen: Webcare in (fremden, nicht von der BZgA betriebenen) Foren, Forenkooperationen, eigene Facebookprofile/-fanpages, Facebook-Kooperationen (Prominente und Medien), Werbemittel, Blogger Relation, standortbezogener Dienst/soziales Netzwerk (Foursquare), Crowdsourcing.

Erhebungsinstrumente: Studiotest (n = 10 Schwangere/n = 14 Jugendliche), Kontrollierte Testgruppe (Onlinepanel in 3 Wellen/n je Welle= 150/200), Intensivinterviews (n = 10/14), On-Site-Befragung (n = 1.300/2.400), Social Media Monitoring, Webmetrics Analyse, Prozess- und Dokumentenanalyse.

Methodisches Vorgehen: Unterschiedliche Zugangskanäle zu Befragten, potentielle und tatsächliche Besucher der Webseiten, Mix von qualitativen und quantitativen Methoden mit Befragungen, Intensivinterviews und Tests zur Methodenkontrolle und -triangulation.

Ergebnisse: Die Möglichkeiten viraler Kommunikation (z.B. über Facebook) konnten mittels der im Pilot eingebrachten Interventionen nicht zufriedenstellend genutzt werden, u.a. weil die Themen Schwangerschaft und Sexualaufklärung sensibel und weniger geeignet für prinzipiell nicht anonyme Social Media Angebote sind. Traffic auslösende Effekte für die BZgA eigenen Websites (www.familienplanung.de und www.loveline.de) waren marginal. Die Kooperation mit externen Forenbetreibern erwies sich als praktikabel und fand die uneingeschränkte Akzeptanz der Zielgruppen. Die Ansprache der Zielgruppe in Foren fremder Anbieter wurde als erfolgversprechend bewertet. Zur Beurteilung der Gesamteffekte einzelner Interventionen ist das komplexe, sich ergänzende Zusammenwirken unterschiedlicher Applikationen und ihre Wirkung auf das Suchmaschinen Ranking und damit der Auffindbarkeit von Angeboten zu beachten.

Schlussfolgerungen: Ein generalisierbarer Nutzen sozialer Medien wie Facebook oder spezifischer Themenforen für die gesundheitliche Aufklärung ist nicht gesichert, sondern Bedarf einer sorgfältigen Beachtung themen- und zielgruppenspezifischer Aspekte.