Gesundheitswesen 2014; 76 - A110
DOI: 10.1055/s-0034-1386960

Medizinisch-berufliche Orientierung in der Rehabilitation – das Behandlungskonzept BoReM (Beruflich orientiertes Reha-Modul)

A Menzel-Begemann 1
  • 1Universität Bielefeld, Bielefeld

Hintergrund: Im Anforderungsprofil fordert die DRV seit 2012 den Einsatz berufsbezogener Maßnahmen in von ihr belegten Einrichtungen [1], weil „aufgrund des zunehmend begrenzten … und sich rasch ändernden Arbeitsmarkts eine erfolgreiche medizinische Rehabilitation allein heute kein Garant mehr für die (Re)Integration in das Erwerbsleben ist“ [2, S. 37]. BoReM verfolgt einen klinikintern belastungserprobenden Ansatz, bei dem praktische Erfahrungen von berufsbezogenen Gruppeninterventionen begleitet werden. Es richtet sich an Rehabilitand(inn)en mit besonderen beruflichen Problemlagen und kann als Kernmaßnahme gemäß DRV-Anforderungsprofil eingestuft werden. Die Rehabilitand(inn)en werden früh und im geschützten Rahmen an ihre eingeschränkte Leistungsfähigkeit herangeführt und lernen, vorhandene Stärken aber auch erworbene Schwächen realistisch einzuschätzen. Durch die Auseinandersetzung mit möglichen Erkrankungsfolgen wird für Problemsituationen im (Berufs-)Alltag sensibilisiert und auf den Umgang mit (oftmals fortbestehenden) teilhaberelevanten Einbußen vorbereitet. Dies ist insbesondere für neurologische Patient(inn)en relevant. Zwar sind sie allgemein beruflich hoch motiviert [3], was als Fundament für eine erfolgreiche Wiedereingliederung erscheint, jedoch ergibt sich eine besondere Problematik: Es zeigen sich üblicherweise multimodale, oftmals ausnahmslos berufsrelevante Beeinträchtigungen, die häufig zumindest teilweise fortbestehen und von denen die kognitiven Einbußen gerade in der Anfangszeit nicht angemessen wahrgenommen werden, obwohl gerade sie für die Wiedereingliederung eine zentrale Rolle spielen (ebd.). BoReM wird derzeit in der Neurologie und Orthopädie eingesetzt. Kernstück sind dreistündige Arbeitssimulationen, wobei neben 14 berufsspezifischen Modulen je ein berufsübergreifendes Erwerbsfähigkeits-Modul für körperliche sowie kognitiv-sprachliche Tätigkeiten zur Verfügung steht. Nach einer ersten, diagnoseorientierten Durchführung erfolgt der weitere Einsatz unter therapeutischer Perspektive und wird begleitet von einer berufsbezogenen Patientenschulung [4, 5].

Methode/Fragestellung: Die Evaluation erfolgt mittels RCT in zwei Einrichtungen der Neurorehabilitation. Neben der Erfassung patientenbezogener Maße wird als zentrale Fragestellung beantwortet, ob BoReM die Reintegrationsrate bis 15 Monate nach der Rehabilitation signifikant steigern kann. Bei den aktuell vorliegenden Daten sollen zunächst die Ergebnisse des zweiten Katamnesezeitpunktes – zwölf Monate nach der Behandlung – fokussiert werden.

Ergebnisse: Die Analysen (KG= 130, IG= 122) zeigen einen statistisch abgesicherten Vorsprung in der Nutzenbewertung durch die Teilnehmenden. Dieser zeigt sich sowohl hinsichtlich des All-tags insgesamt (p = 0,001, Φ= 0,213) als auch des beruflichen Alltags (p = 0,011, Φ= 0,168): BoReM bereitet besser auf die berufliche Rückkehr vor (p = 0,001, Φ= 0,211), indem es den Blick für die Stärken und Schwächen schärft (p = 0,006, Φ= 0,181), Erlerntes im Beruf besser anwenden lässt (p = 0,001, Φ= 0,218) und dadurch weniger Schwierigkeiten im Alltag begegnet wird, auf die nicht vorbereitet wurde (p = 0,003, Φ= 0,193). Der wahrgenommene Nutzen schlägt sich je-doch nicht in einer signifikant höheren Reintegrationsrate nieder (KG: 63,8%, IG: 66,4%). Tendenziell zeigte sich jedoch in der Interventionsgruppe ein stärkeres berufsbezogenes Adaptationsverhalten, indem die Arbeitszeiten und Aufgabenbereiche vermehrt verkürzt resp. verkleinert wurden.

Diskussion: Diese Ergebnisse lassen BoReM als eine für die berufliche Wiedereingliederung nützliche Maßnahme beschreiben. Dies zeigt sich neben hohen Nutzenbewertungen in einer größeren Bereitschaft, berufliche Anforderungen zu hinterfragen und sie der Leistungsfähigkeit anzupassen. Dieses Verhalten könnte gesundheitsförderliche Potenziale beinhalten und die Arbeitsfähigkeit längerfristig erhalten. Der Nutzen des Vorgehens schlägt sich jedoch 12 Monate nach der Reha nicht in einer höheren Reintegrationsrate nieder.