Gesundheitswesen 2014; 76 - A109
DOI: 10.1055/s-0034-1386959

Strukturelle Rahmenbedingungen in Kindertageseinrichtungen und die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit von pädagogischen Fachkräften

E Mauz 1, M Schumann 1, S Viernickel 2, A Voss 2
  • 1Robert Koch-Institut, Berlin
  • 2Alice Salomon Hochschule, Berlin

Einleitung/Hintergrund: Erzieher/-innen gelten als gesundheitlich belastete Berufsgruppe. Nach Daten verschiedener Krankenkassen sind die Arbeitsunfähigkeitstage von Erzieherinnen und Erziehern in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen und liegen deutlich über dem Bundesdurchschnitt; im Gesamtvergleich des Öffentlichen Dienstes fallen Erzieher/-innen ebenfalls durch überdurchschnittlich hohe krankheitsbedingte Fehlzeiten auf. Im Fehlzeitenreport 2012 wird der Krankenstand der Kindergärtner/-innen und Kinderpfleger/-innen für 2011 mit 4,5% und einer durchschnittlichen Anzahl von 16,3 Arbeitstagen angegeben [1]. In erster Linie führen psychische Erkrankungen neben Atemwegs- und Muskel-Skeletterkrankungen zu überdurchschnittlich vielen Ausfalltagen. Der psychische Gesundheitszustand von Erzieher/-innen zeigt sich im Vergleich zur berufstätigen Bevölkerung der Bundesrepublik um fast 8,2% schlechter [2 – 5].

Inwiefern Gesundheit und Arbeitsfähigkeit pädagogischer Fachkräfte (auch) von strukturellen Rahmenbedingungen von Kindertageseinrichtungen beeinflusst werden, ist die zentrale Fragestellung der Studie „STEGE – Strukturqualität und Erzieher/-innengesundheit“, deren Ergebnisse in diesem Beitrag vorgestellt werden.

Daten/Methodik: Die Studie STEGE untersuchte erstmalig empirisch Zusammenhänge zwischen Merkmalen der Strukturqualität, der Wahrnehmung von Belastungen und Ressourcen sowie positiven als auch negativen Beanspruchungsfolgen. Sie wurde von Oktober 2010 bis Dezember 2012 an der Alice Salomon Hochschule in Berlin durchgeführt. Auftraggeberin ist die Unfallkasse NRW, unterstützt durch die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung. Dafür wurden insgesamt 2.744 pädagogische Fach- und Leitungskräfte aus 809 Einrichtungen in einer für die Kita-Trägerstruktur Nordrhein-Westfalens repräsentativen Stichprobe schriftlich befragt, zudem fanden vertiefende Interviews mit 14 Erzieher/-innen statt.

Ergebnisse: Die Studie zeigt eindeutige Zusammenhänge zwischen den Arbeitsbedingungen in Kindertageseinrichtungen und dem Gesundheitszustand der pädagogischen Fachkräfte auf: Schlechte strukturelle Rahmenbedingungen wie zu wenig Zeit, räumliche, finanzielle und personelle Ausstattungsmängel, geringe Arbeitsplatzsicherheit, keine festen Pausenzeiten, fehlende Einrichtungsbesprechungen oder Supervisionsangebote erhöhen das Risiko für verschiedene gesundheitliche Beeinträchtigungen. Dazu gehören z.B. ein schlechteres subjektives Gesundheitserleben, häufigere chronische Erkrankungen und psychische Störungen sowie Beeinträchtigungen im Alltag. Fachkräfte mit schlechten strukturellen Rahmenbedingungen zeigen unter Kontrolle von persönlichen Faktoren wie bspw. Alter, privater Belastung bzw. Unterstützung, arbeitsbezogenen Verhaltens- und Erlebensmustern oder individuellem Gesundheitsverhalten ein mehr als doppelt so hohes Risiko für eine eingeschränkte Arbeitsfähigkeit als ihre Kolleg/-innen mit guten strukturellen Rahmenbedingungen. Als Schutzfaktoren kristallisieren sich ein gutes Teamklima, ein hoher Handlungsspielraum, viel Bewegung auf der Arbeit, hohe Unterstützung von Weiterbildung durch die Einrichtung und ein hohes Ausmaß an beruflicher Gratifikation wie Bezahlung, Arbeitsplatzsicherheit und Anerkennung heraus.

Diskussion/Schlussfolgerung: Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen die Notwendigkeit eines umfassenden Konzeptes für ein betriebliches Arbeitsschutz- und Gesundheitsmanagement im Setting Kita, das Zielgruppen definiert und im Sinne von Verhaltens- und Verhältnisprävention verschiedene Verantwortungsebenen (Fach- und Leitungskräfte, Träger, Politik und Gesellschaft) in den Blick nimmt. Aus den in der Studie identifizierten Belastungen und Ressourcen von pädagogischen Fachkräften am Arbeitsplatz Kita wurden Eckpunkte für ein integriertes Konzept für ein effektives und nachhaltiges betriebliches Gesundheitsmanagement entwickelt, das Aufgaben und Maßnahmen auf diesen vier unterschiedlichen Interventionsebenen beschreibt.