Gesundheitswesen 2014; 76 - A94
DOI: 10.1055/s-0034-1386944

Optionsvielfalt, Informations- und Entscheidungslast bei Wissensarbeitern: Welche Rolle spielt „Optionsstress“ für die Gesundheits- und Leistungsindikatoren Burnout und Engagement?

BS Lehner 1, A Nitzsche 2, H Pfaff 1
  • 1Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung (IMVR) undRehabilitationswissenschaft, Köln
  • 2Universität zu Köln, Köln

Einleitung: Optionsvielfalt und die Konfrontation mit einer Vielzahl an Alternativen (Optionen) in der Arbeitswelt bieten Chancen und zugleich auch Risiken. Der Prozess der Entscheidung für eine Option erweitert nicht nur den Handlungsspielraum, sondern stellt auch Anforderungen an das Individuum. Je größer die Anzahl an Optionen und Informationen, die als Entscheidungsgrundlage vorhanden sind und je komplexer diese sind, desto größer ist die Belastung des Individuums [1]. In der vorliegenden Untersuchung werden zwei Ziele verfolgt: Zum einen wird das Konzept „Optionsstress“ eingeführt, das die Komponenten „Informationsüberlastung“, „Wunsch nach Reduktion des Entscheidungsspielraums“ und „Entscheidungsschwere“ erfasst. Zum anderen werden die Beziehungen von Optionsstress zu Burnout und Engagement untersucht.

Methode: Die Daten zur vorliegenden Untersuchung wurden im Rahmen einer Online-Mitarbeiterbefragung in insgesamt sechs Unternehmen der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT)-Branche erhoben (n = 336; Rücklaufquote: 58,4%). Um den Zusammenhang zwischen Optionsstress, Burnout und Engagement zu analysieren, wurde ein Strukturgleichungsmodell (SGM) berechnet, das eine konfirmatorische Faktorenanalyse (KFA) und eine Analyse der Pfadkoeffizienten kombiniert. Unter Verwendung der Messwerte der globalen Modellgüte (CFI, TLI, RMSEA) wurde das SGM spezifiziert und evaluiert. Anhand der globalen Maße der Modellpassung wurde überprüft, ob die empirischen Beziehungen durch das SGM adäquat geschätzt wurden. Anschließend wurde ein SGM modelliert, um die Beziehungen der Variablen im geschätzten Modell zu untersuchen.

Ergebnisse: Das Durchschnittsalter der befragten IKT-Beschäftigten war 36,5 Jahre (SD= 10,1). Der Anteil an männlichen Beschäftigten lag bei ca. 73%. Die deskriptiven Statistiken zeigten folgende Mittelwerte der Subskalen (1 – 4) von Optionsstress: Informationsüberlastung M= 2,60 (SD= 0,64), Wunsch nach Reduktion des Entscheidungsspielraums M= 1,73 (SD= 0,55) und Entscheidungsschwere M= 2,33; (SD= 0,68). Die Beschäftigten gaben im Durchschnitt ein hohes Engagement an (M= 4,45; SD= 0,92; range 0 – 6) und einen moderaten Wert auf der Erschöpfungsskala (M= 1,85; SD= 1,17; range 0 – 6). Die Ergebnisse der Pfadanalyse zeigten, dass Informationsüberlastung und der Wunsch nach Reduktion des Entscheidungsspielraums positiv mit Burnout (ß= 0,30, C.R.= 4,08, p < 0,001; bzw. ß= 0,14, C.R.= 2,08, p = 0,04) und negativ mit Engagement (ß=-0,16, C.R.=-2,41, p = 0,016; bzw. ß=-0,18, C.R:=-2,78, p < 0,01) assoziiert waren. Die Subskala Entscheidungsschwere zeigte eine positive Beziehung zu Engagement (ß= 0,25, C.R.= 3,92, p < 0,001), hatte jedoch im getesteten Modell keinen Effekt auf Burnout.

Diskussion/Schlussfolgerung: Aus der Untersuchung geht zum einen hervor, dass Komponenten von Optionsstress mit Burnout und Engagement in der Studienpopulation von Wissensarbeitern assoziiert sind. Des Weiteren zeigen die Ergebnisse, dass quantitative Aspekte von Optionsstress einen größeren Einfluss haben als qualitative Aspekte: Informationslast und der Wunsch nach Reduktion des Entscheidungsspielraums können Erschöpfung und reduziertes Engagement zur Folge haben. Die Vielfalt an Optionen und der damit verbundene Entscheidungsdruck sollte hinsichtlich Gesundheits- und Leistungsparametern in der Wissensarbeit stärker ins Blickfeld rücken.