Gesundheitswesen 2014; 76 - A72
DOI: 10.1055/s-0034-1386922

Krebsvorbeugung im Jugendalter – Die Effizienz eines Präventionsworkshops

S Herrmann 1, 2, F Stölzel 2, N Seidel 2, M Häder 3, M Baumann 2, G Ehninger 2
  • 1Universität Regensburg, Institut für Epidemiologie und Präventivmedizin, Abt. Medizinische Soziologie, Regensburg
  • 2Universitäts KrebsCentrum Dresden, Dresden
  • 3Technische Universität Dresden, Institut für Soziologie, Abt. Empirische Sozialforschung, Dresden

Hintergrund: In Deutschland erkranken jährlich 490.000 Menschen neu an Krebs und 218.000 sterben daran[1]. Viele krebsbezogene Risikoverhaltensweisen (Tabak- u. Alkoholkonsum, falsche Ernährungsgewohnheiten etc.) entstehen und verfestigen sich im Jugendalter und tragen, wenn erst einmal etabliert, zu den meisten Krebserkrankungen bei, die im Erwachsenenalter auftreten können[2]. Gerade Jugendliche scheinen ihr Krebserkrankungsrisiko zu unterschätzen. Das Jugendalter ist demnach ein wichtiges Zeitfenster für Präventionsmaßnahmen.

Eine empirische Studie beschäftigte sich mit der Wirksamkeitsprüfung eines onkologischen Primärpräventionsprogrammes bei Jugendlichen. Untersucht wurde der vom Universitäts KrebsCentrum Dresden entwickelte Workshop „Mit Köpfchen gegen Krebs“ (MKGK)[3].

Methode: „MKGK“ soll Jugendlichen im Alter von 12 – 14 Jahren Fähigkeiten und Fertigkeiten übermitteln, durch die sie eine adäquate krebsrisikoreduzierende Handlungsstrategie für ihren Alltag entwickeln können. Ziel ist, die Einstellung (Wissens-, Meinungs- und Verhaltenskompetenz) der Schüler* gegenüber der Krebsprävention zu stärken, um so deren gesundheitliche Eigenverantwortung anzukurbeln. Der von Experten geleitete, dreistündige Workshop charakterisiert sich über anwendungsorientierte Kleingruppenarbeit. An erlebnisorientierten Stationen erkunden die Jugendlichen selbstständig über kleine Experimente die Bedeutung der vier wichtigsten Krebsrisikofaktoren (Sonnenschutz, Nichtrauchen, gesunde Ernährung, Bewegung)[4]. 2012 nahmen 185 Siebtklässler sächsischer Mittel-und Gymnasialschulen an „MKGK“ teil, 189 Schüler bildeten die Wartekontrollgruppe. Die quasi-experimentelle Untersuchung wurde in drei Panelwellen (Prä-Post-3MKat) durchgeführt. Die Daten wurden über standardisierte Selbstausfüller-Fragebögen erhoben. Die Auswahl der Indikatoren erfolgte entlang der vier wichtigsten krebsrisikoreduzierenden Verhaltensmerkmale.

Ergebnisse: Das Wissen (p < 0,01, r= 0,73), die Meinung (p < 0,05, r= 0,13) und das Verhalten (p < 0,01, r= 0,37) der am Workshop teilgenommenen Jugendlichen konnte im Vergleich zur Kontrollgruppe verbessert werden. Beobachtet wurden außerdem soziodemographische und gesundheitsbezogene Einstellungsmuster. Es zeigte sich, dass Mädchen stärker in ihrer körperlichen Aktivität und Jungen in ihrem Sonnenschutzverhalten gefördert werden sollten. Jugendliche, die bereits durch ihr soziales Umfeld Erfahrungen mit der Krankheit Krebs gemacht haben, nehmen sich eher einer verhaltenspräventiven Handlungsstrategie an. Eine Reflexionsuntersuchung zeigte, dass die nachhaltige Umsetzung der erworbenen Fähigkeiten in Abhängigkeit zur krebsrisikoreduzierenden Lebensweise der Eltern und Freunde zu sehen ist. Zudem kristallisierte sich heraus, dass es für Siebtklässler schwierig ist, die Relation zwischen retrospektivem Verhalten und prospektiver Krebsentstehung in der Risikowahrscheinlichkeit zu verorten.

Diskussion: Den Studienergebnissen zu folge, kann „MKGK“ als ein wirkungsvolles Krebspräventionsprogramm bezeichnet werden. Es stärkt das Wissen und die Kontrollüberzeugung von Jugendlichen insoweit, dass sie sich eine gesundheitsfördernde Selbstwirksamkeitserwartung zuschreiben. Um diese krebsrisikoreduzierende Handlungsstrategie auch langfristig in der alltäglichen Lebensweise von Jugendlichen verfestigen zu können, empfiehlt sich bei der wissenschaftlichen Innovation von praxisgeeigneten Interventionsprogrammen v.a. der Verhältnisprävention stärkere Aufmerksamkeit zu widmen. Die gesundheitliche Eigenverantwortung von jungen Menschen verlangt partizipative Unterstützung aus dem sozialen Umfeld, welches demnach ein wichtiges Setting für Präventionsprogramme darstellt. Um die Erfolge einer Einstellungsänderung effizient auf Dauer stellen zu können, ist zudem ratsam, onkologische Präventionsprogramme wiederholt alltagsbegleitend bei Jugendlichen einzusetzen und dabei z.B. das Geschlecht, die Schulform und das Alter zu berücksichtigen.