Gesundheitswesen 2014; 76 - A61
DOI: 10.1055/s-0034-1386911

Die Bedeutung der Handlungskontrolle für den Umfang körperlicher Aktivität vor einer Gelenkersatzoperation

A Gottschling-Lang 1, L Köhler 1, J Kiel 1, K Thren 2, C Gutenbrunner 1, M Bethge 1
  • 1Medizinische Hochschule Hannover, Hannover
  • 2Klinik Niedersachsen, Bad Nenndorf

Hintergrund: Verschleißprobleme an den großen Körpergelenken sind die häufigste Behinderungsursache bei älteren Menschen [1]. Wenn durch konservative und medikamentöse Behandlung keine ausreichende symptomatische Behandlung mehr möglich ist, gilt bei starken Belastungsschmerzen und Funktionseinschränkungen der künstliche Gelenkersatz als bewährte Standardbehandlung, die den Rückgewinn von Funktionsfähigkeit und Teilhabe ermöglicht [2]. Dazu gehört auch die Wiedererlangung und künftige Aufrechterhaltung körperlicher Aktivität als wesentliche protektive Gesundheitsressource (z.B. Sturzprophylaxe). Aktuelle Arbeiten verweisen insbesondere auf die Bedeutung einer gelungenen Handlungskontrolle für regelmäßige körperliche Aktivität [3, 4]. Inwiefern sich diese Ergebnisse auch auf durch Schmerz beeinträchtigte, ältere Personen übertragen lassen, ist bislang allerdings nicht untersucht. Denkbar ist zudem, dass die Bedeutung bekannter Förderfaktoren körperlicher Aktivität (z.B. Ergebniserwartungen und Unterstützung durch Familie und Freunde) durch erfolgreiche Handlungskontrolle vermittelt wird. Im Folgenden wurde untersucht, wie sich das körperliche Aktivitätsniveau älterer Personen vor der Gelenkersatzoperation erklären lässt.

Methoden: Die Fragebogen gestützte Erhebung erfolgt retrospektiv zu Beginn der Rehabilitation bei Patienten mit Rehabilitationsbedarf aufgrund der Erstimplantation eines Hüft- oder Kniegelenkersatzes. Der Umfang körperlicher Aktivität wurde mit einer modifizierten Form des Godin Leisure Time Exercise Questionnaire erfasst. Handlungskontrolle, positive Handlungsergebniserwartungen sowie die soziale Unterstützung bei der Durchführung körperlicher Aktivität wurden mittels 4-stufiger Items standardisierter, valider Instrumente erhoben. Zur Erfassung der Schmerzintensität wurde die entsprechende Subskala des Western Ontario and McMaster Universities Osteoarthritis Index genutzt. Stichprobenmerkmale wurden deskriptiv analysiert. Direkte und indirekte Effekte von Ergebniserwartungen, sozialer Unterstützung, Handlungskontrolle und Schmerz auf die Intensität körperlicher Aktivität wurden pfadanalytisch untersucht.

Ergebnisse: Die dargestellten Analysen beziehen sich auf n = 81 Patienten (Alter, MW (SD): 70,2 (5,3); Geschlecht weiblich: 61,7%; Indikation Hüfte: 50,6%) der laufenden Erhebung. Das Pfadmodell zeigt einen direkten positiven Effekt von Handlungskontrolle (β= 0,38; 95% KI: 0,10 bis 0,53) und einen direkten negativen Effekt von erlebtem Schmerz (β=-0,26; 95% KI: -0,45 bis 0,08) auf die Intensität körperlicher Aktivität. Die Bedeutung der Handlungskontrolle war dabei etwas höher als die der Schmerzen. Ergebniserwartungen (β= 0,48; 95% KI: 0,28 bis 0,65) und die durch Familie und Freunde erfahrene Unterstützung bei der Ausübung körperlicher Aktivität (β= 0,27; 95% KI: 0,10 bis 0,43) wirkten direkt auf die Handlungskontrolle und nur darüber vermittelt auf die berichtete Intensität körperlicher Aktivität. Die damit assoziierten indirekten Effekte auf die Intensität körperlicher Aktivität waren im Vergleich zu den direkten Effekten auf die Handlungskontrolle eher gering (Ergebniserwartungen: β= 0,18; 95% KI: 0,05 bis 0,33; Unterstützung durch Familie und Freunde: β= 0,10; 95% KI: 0,03 bis 0,19).

Diskussion: Das Ausmaß körperlicher Aktivität wird in dieser Untersuchung nicht singulär durch den erlebten Schmerz gesteuert, sondern auch und sogar etwas stärker durch eine erfolgreiche Handlungskontrolle. Diese vorläufigen Ergebnisse legen nahe, dass die individuelle Fähigkeit, sich selbst zu beobachten und zu kontrollieren, ein wichtiger Förderfaktor für die Ausübung körperlicher Aktivität ist.