Gesundheitswesen 2014; 76 - A33
DOI: 10.1055/s-0034-1386883

Empowerment für gesunde Ernährung bei Senioren und Eltern im Gemeindesetting – Umsetzung bedürfnisgerechter Aktivitäten im Projekt GENIESSER Oberpfalz

J Curbach 1, S Brandstetter 1, B Warrelmann 1, J Rüter 1, V Lindacher 1, J Loss 1
  • 1Universität Regensburg, Institut für Epidemiologie und Präventivmedizin, Abt. Medizinische Soziologie, Regensburg

Hintergrund: Das Projekt „GENIESSER Oberpfalz“ untersucht die Anwendung des Empowerment-Ansatzes im Ernährungsbereich. Dieser Ansatz sieht vor, Individuen zu befähigen, ihr gesundheitsbezogenes Verhalten und ihr Lebensumfeld selbst aktiv zu verändern. Der Empowerment-Ansatz hat sich in der Gesundheitsförderung bewährt, zum Thema gesunde Ernährung liegen jedoch noch kaum Erfahrungen vor [1]. Im Rahmen des GENIESSER-Projektes wurden in Oberpfälzer Gemeinden Senioren- und Elterngruppen gegründet, die in regelmäßigen Treffen selbst bedürfnisgerechte Projekte zu gesunder Ernährung entwickelten und umsetzten.

Methodik: Der Initiierung und der Moderation der Gruppen wurde ein standardisierter Prozess zugrunde gelegt: Vor Gründung jeder Gruppe erfolgte eine ausführliche Bedarfsanalyse in Fokusgruppen mit Schlüsselpersonen aus der Gemeinde. Für die anschließende Rekrutierung wurden an die Zielgruppen angepasste Zugänge gewählt, wie z.B. kirchliche Vereine, Sportgruppen oder Kindergärten. Die Gruppentreffen selbst fokussierten anfangs auf moderierte Gesprächsrunden und Kurzvorträge zu Wunschthemen der Teilnehmer (TN), im Verlauf der Gruppentreffen standen zunehmend die von den TN selbst entwickelten Aktivitäten im Vordergrund. Die Evaluation der Projektumsetzung erfolgte über ein qualitatives multi-methodisches Evaluationskonzept. Hierzu wurden Daten erhoben in semistandardisierten Interviews mit TN zu Beginn und am Ende der Gruppenaktivitäten, in Fokusgruppeninterviews mit TN nach Umsetzung eigener Ideen sowie in Form von strukturierten Beobachtungsprotokollen zu den einzelnen Treffen. Die Daten wurden computergestützt mittels Inhaltsanalyse ausgewertet.

Ergebnisse: In den fünf Gemeinden konnte je eine Seniorengruppe etabliert werden, in drei der Gemeinden eine Gruppe für Eltern. Die initialen Teilnehmerzahlen (zwischen fünf und 27) reduzierten sich in allen Gruppen auf fünf bis acht. In den einzelnen Gruppen fanden bisher fünf bis 27 Gruppentreffen über den Verlauf von zwei bis zwölf Monaten statt.

Nach der Aktivierungsphase entwickelten alle Gruppen Ideen für eigene ernährungsbezogene Aktivitäten und setzten diese um. In mehreren Gruppen lag der Schwerpunkt dabei auf industriekritischen und verhältnisbezogenen Ernährungsthemen und viele der gewählten Aktivitäten boten einen Nutzen für andere Bürger. Die Gruppen engagierten sich u.a. für:

  • seniorengerechte Gestaltung des örtlichen Supermarktes und Einrichtung eines Gemeinschaftsgartens,

  • Entwicklung eines Info-Flyers zum Thema „Regionale Einkaufsmöglichkeiten“ und Einrichtung eines Infostandes bei einem Gemeindefest,

  • Verbesserung der Mittagsverpflegung in Kindergärten der Gemeinde,

  • Gestaltung eines Informationsabends zum Bezug einer regionalen „Ökokiste“,

  • Organisation eines regelmäßigen Kochtreffs.

Bei der Anwendung des Empowerment-Ansatzes zeigten sich der Aktivierungsprozess und die Gewöhnung an partizipative Methoden als herausfordernd und in der Phase der Gruppenaktivitäten war es schwierig, die Verantwortung von den Gruppenleitern auf die TN zu übertragen. Dies gilt insbesondere für die Zielgruppe der Senioren, in den Elterngruppen war eine Aktivierung und Übertragung von Verantwortung einfacher umsetzbar. Bei der Umsetzung von Projektideen auf Gemeindeebene erwiesen sich die Gruppenteilnehmer als Experten für ihr Gemeindeumfeld, da sie häufig über „Insiderwissen“ und persönliche Kontakte zu Schlüsselpersonen in der Gemeinde verfügten. Viele Arbeitsschritte waren dadurch einfacher und schneller umzusetzen.

Schlussfolgerungen: Die Umsetzung von Empowerment für gesunde Ernährung erweist sich als aufwendig und herausfordernd. Die schrittweise Aktivierung zur Umsetzung eigener Gruppenaktivitäten ist jedoch möglich, wenn eine thematische Offenheit für die Bedürfnisse der Zielgruppe seitens der Gruppenleitung besteht und wenn ein partizipativer Führungsstil praktiziert wird. Insgesamt zeigt sich der Empowerment-Ansatz als vielversprechende Strategie im Ernährungsbereich.