Gesundheitswesen 2014; 76 - A23
DOI: 10.1055/s-0034-1386873

Wohnpflegegemeinschaften für Menschen mit Demenz: Eine qualitative Studie zur Lebensqualität von Bewohnern

S Busch 1, S Hewakowski 1, J Kwiek 1, B Huckfeldt 1, H Kretzschmer 1, M Kopp 1
  • 1Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg, Hamburg

Einleitung/Hintergrund: Wohn-Pflege-Gemeinschaften bieten für Menschen mit Demenz (MmD) eine Möglichkeit alternativer Wohnformen, wenn der Verbleib in der eigenen Häuslichkeit durch eine demenzielle Erkrankung schwieriger wird. Derzeit existieren nur wenig systematische Forschungsergebnisse über die Erfahrungen und Auswirkungen mit Wohn-Pflege-Gemeinschaften und ihren Einfluss auf die Lebensqualität der Bewohner_Innen. Ein zentraler Aspekt der Lebensqualität gerade auch für MmD ist die Teilhabe am täglichen Leben.

Daten/Methodik: Es wurden fünf qualitative leitfadengestützte Interviews mit bis zu 60 Minuten Dauer mit Angehörigen von MmD, die in unterschiedlichen Wohnpflegegemeinschaften in Hamburg leben, geführt. Basis hierfür waren – ausgehend von einer systematischen Literaturrecherche und der Definition von Teilhabe folgende fünf Teilhabeparameter: Kommunikation, soziale Kontakte, Mobilität, Aktivitäten und Stimmungslage. Die inhaltsanalytische Auswertung erfolgte nach Mayring.

Ausgewählte Ergebnisse:

  • Kommunikation: Gegensätzliche Aussagen, teils wird über eine Verbesserung durch anleitende Gespräche des Pflegepersonals berichtet, teils über einen Rückgang der Kommunikation durch fehlende Ansprache und die fortschreitende Erkrankung.

  • Soziale Kontakte: Vermehrte soziale Interaktion durch die Aufmerksamkeit des Pflegepersonals nach einer Eingewöhnungsphase – wurde mit einer Ausnahme – sichtbar, allerdings auch Abnahme von bisherigen Kontakten zu Freunden und Nachbarn.

  • Mobilität: Abnahme bei drei von fünf Bewohner_Innen zumeist aufgrund der fortschreitenden Erkrankung.

  • Aktivitäten: Vier von fünf Interviews zeigen eine erfolgreiche Aktivierung durch Alltagsbegleitung und therapeutische Gruppen sowie individuelle Förderung von Interessen. Ein Interviewpartner klagt über fehlende Angebote für MmD im fortgeschrittenen Stadium. Ein Interview beschreibt eine völlige Einstellung aller Aktivitäten sowie Ausbleiben therapeutischer Förderungen.

  • Stimmungslage: Drei Interviews berichten von anfänglicher Traurigkeit und Aggression. Die spätere Besserung ging bei zwei einher mit einer medikamentösen Einstellung. In einem Interview wird die Zunahme des Sicherheitsgefühls hervorgehoben, ein anderes den Rückgang der im Heim erworbenen Depression.

Zusätzlich zu diesen Teilhabeparametern wurde a Aspekte im Hinblick auf „Umzug/Eingewöhnung“, „Engagement der Angehörigen“ – als integraler Bestandteil von Wohnpflegegemeinschaften, den entscheidenden „Einfluss des Pflegedienstes“ und weitere „Externe Unterstützung“ thematisiert.

Diskussion: Grundsätzlich gilt, dass die definierten Teilhabeparameter naturgemäß interdependent sind, zudem beeinflusst der fortschreitende Verlauf der Demenz die Teilhabeparameter. „Die WPG hat allein durch das familiäre Setting einen positiven Aspekt auf die definierten Teilhabeparameter und damit auf die Lebensqualität. Wichtig ist vor allem das Engagement und die Mitarbeit des Pflegedienstes und der Angehörigen, damit MmD Teilhabe erleben können!“ Wohnpflegegemeinschaften ermöglichen mehr Teilhabe als stationäre Pflegeeinrichtungen- insbesondere wird durch eine eher familiäre Umgebung das Wohlbefinden und die Möglichkeit zu sozialen Kontakten gefördert und je höher das Aktivitätsangebot ist, umso höher ist die Zufriedenheit der MmD. Allerdings müssen auch hier die Pflegekräfte entsprechend geschult sein und eine Unterstützung durch externe Einrichtungen gewährleistet sein. Engagement und Mitarbeit des Pflegedienstes und der Angehörigen, sowie deren Zusammenarbeit sind aber auch hier die zentralen Einflussfaktoren auf die Teilhabe von den Bewohner_Innen einer Wohnpflegegemeinschaft. Will man die Chance des Versorgungssettings der Wohnpflegegemeinschaften – insbesondere für MmD – nutzen, so müssen die gesundheits- und pflegepolitischen Weichenstellungen dahingehend erfolgen, dass entsprechende organisatorische und finanzielle Förderungen – wie sie im PNG implementiert wurden – weiter ausgebaut werden, zudem müssen für externe Einrichtungen Anreize geschaffen, werden, um diese Einrichtungen in ihrem Bemühen um Teilhabe und Aktivierung zu unterstützen.