Gesundheitswesen 2014; 76 - A16
DOI: 10.1055/s-0034-1386866

Berufsbezogene geschlechtsstratifizierte Auswertungen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen anhand von Arbeitsunfähigkeitsdaten

C Brendler 1, F Liebers 1, U Latza 1
  • 1Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Berlin

Einleitung/Hintergrund: Für Herz-Kreislauf-Erkrankungen (HKE) sind die Risikofaktoren Alter, familiäre Veranlagung und Lebensstil schon lange bekannt. Zusätzlich werden auch arbeitsbedingte Faktoren als Ursache von HKE beschrieben wie Lärm, Schichtarbeit, lange Arbeitszeiten, physische und psychosoziale, aber auch inhalative Belastungen. Durch den demografischen Wandel, die Verlängerung der Lebensarbeitszeit, Lebensstil-assoziierte Veränderungen in der Bevölkerung und eine verbesserte medizinische Versorgung von HKE wird eine gesteigerte Bedeutung der Prävention von HKE in der Arbeitswelt prognostiziert. Als Grundlage für Präventionsempfehlungen soll anhand von Daten zur Arbeitsunfähig (AU) geklärt werden, welche Unterschiede im Auftreten durch HKE zwischen einzelnen Berufen bzw. Berufsgruppen bestehen.

Methoden: Es wird eine Sekundärdatenanalyse zur Arbeitsunfähigkeit (AU) der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung für 2008 vorgestellt. Der Datenbestand enthält aggregierte Angaben von zirka 26,2 Mio. gesetzlich pflichtversicherten Berufstätigen. Die Alters- und Geschlechtsverteilung spiegelt die sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigen in 2008 gut wider. Es sind ca. 90% der gesetzlich pflichtversicherten Erwerbstätigen von nahezu allen gesetzlichen Krankenkassen erhoben.

Berechnet werden geschlechtergetrennte AU-Fallzahlen nach Alter geschichtet sowie indirekt standardisierte Morbiditätsratios (SMR) für das Auftreten von AU-Fällen nach Berufen und Berufsgruppen (nach Blossfeld) stratifiziert mit 99,9% Konfidenzintervallen. Als Vergleichsgruppe wurden die Büroberufe bzw. die qualifizierten kaufmännischen und Verwaltungsberufe (QVB) gewählt. Die Anzahl der AU-Fälle und AU-Tage für 22 HKE-Diagnosen lag als Zählerinformation und die Anzahl der Versicherten pro Altersklasse, Geschlecht, Beruf und Krankenkasse als Nennerinformation vor.

Ergebnisse: Zwischen den Berufen bzw. Berufsgruppen bestehen teilweise große Unterschiede für die Häufigkeit von AU-Ereignissen durch HKE. Bei den Berufsgruppen nach Blossfeld fällt für beide Geschlechter auf, dass gering qualifizierte Dienstleistungsberufe in allen betrachteten Diagnosen mehr AU-Fälle aufweisen als die Vergleichsgruppe. Bei den gering qualifizierten manuellen Berufen aber auch bei den qualifizierten bestehen ebenfalls erhöhte SMR. Ausnahmen bilden der akute Hirninfarkt sowie bei den Männern zusätzlich die Herzinsuffizienz. Frauen in Semiprofessionen sind öfter aufgrund von HKE arbeitsunfähig. Manager, Ingenieure und Professionen weisen in beiden Geschlechtern weniger AU-Fälle als die Vergleichsgruppe auf.

Insgesamt treten AU-Fälle häufiger in gering qualifizierten als in hoch qualifizierten Berufen und auch häufiger in manuellen und Dienstleistungsberufen als in kaufmännischen und Verwaltungsberufen auf.

Schlussfolgerung: Die Sekundärdatenanalyse der Arbeitsunfähigkeitsdaten konnte zeigen, dass in beiden Geschlechtern ein erhöhtes AU-Risiko durch HKE in Berufsgruppen der Produktion und des Dienstleistungsbereiches mit geringem und mittlerem Qualifikationsniveau besteht.

Es ist davon auszugehen, dass bei den heute Jüngeren der bekannte Anstieg der AU bedingt durch HKE mit dem Alter aufgrund der höheren Prävalenz der Risikofaktoren (Adipositas, Diabetes mellitus) eher stärker zu sehen sein wird, wenn nicht durch Gesundheitsförderungs- und Präventionsmaßnahmen ein Großteil der HKE verhindert oder das Auftreten ins höhere Alter verschoben wird. Da in Zukunft wesentlich mehr Erwerbstätige in der höchsten Altersgruppe zu erwarten sind, ist eine (primäre und auch sekundäre) Prävention von HKE in allen Altersgruppen, teilweise auch wesentlich früher als bisher, dringend zu empfehlen. Diese Maßnahmen sollen nicht nur auf Verhaltensprävention, sondern auch auf die Verhältnisprävention zielen.