Rofo 2015; 187(1): 61-62
DOI: 10.1055/s-0034-1385737
Letter to the Editor
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Leserbrief zum Beitrag von Andresen R, Radmer S, Lüdtke CW et al. Balloon Sacroplasty as a Palliative Pain Treatment in Patients with Metastasis-induced Bone Destruction and Pathological Fractures. Fortschr Röntgenstr 2014; 186: 881–886

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Publication Date:
22 December 2014 (online)

Leserbrief

Die Autoren berichten über die Anwendung der Ballonsakroplastie zur palliativen Schmerztherapie bei 10 Patienten mit metastatischen Osteodestruktionen und schlussfolgern, dass die Ballonsakroplastie als komplikationsfrei durchführbares schmerzreduzierendes Verfahren eine hilfreiche Therapieergänzung in einem palliativen Gesamtkonzept wäre.

Zunächst fällt auf, dass bei dieser Serie an einem kleinen Patientenkollektiv kein Durchführungszeitraum angegeben wird. Es ist nicht unwesentlich, ob die 10 Patienten innerhalb weniger Monate behandelt wurden und eine Kontrollgruppe mit einer anderen Therapieform für eine wissenschaftlich valide Aussage möglich und realisierbar gewesen wäre oder ob die Auswertung einer Patientenserie über mehrere Jahre entstammt und eine VAS-Auswertung möglicherweise durch wechselndes Personal und veränderte Gesamtkonzepte mit Vorsicht zu sehen ist.

Die von den Autoren präsentierten Fakten lassen die Aussage zu, dass die Ballonsakroplastie technisch ohne hohes Komplikationsrisiko bei sakralen Metastasen durchführbar ist. Dies wurde allerdings bereits in früheren Arbeiten gezeigt (vgl. die Literaturangaben der Autoren). Die Schlussfolgerung, dass die Ballonsakroplastie eine effektive Maßnahme zur Schmerzreduktion bei einer Tumorerkrankung sei, ist jedoch aufgrund der mitgeteilten Informationen und der gewählten Zeitpunkte zur Einstufung der Schmerzintensität unzulässig.

Bei keinem der behandelten Patienten wird eine systemische analgetische Therapie vor und bis 6 Monate nach der Intervention angegeben, obwohl präinterventionell „stärkste invalidisierende Schmerzen“ vorlagen. Welche schmerzrelevanten Medikamente wurden in welcher Dosierung vor und bis 6 Monate nach der Intervention systemisch bei jedem Patienten verabreicht? Ohne die Einbeziehung einer analgetischen Medikation, auf die wohl aus ethischen Gründen nicht verzichtet werden konnte, macht die Beurteilung der Schmerzintensität, die ja auch erfahrungsgemäß subjektiv stark different angegeben werden kann, wenig Sinn. Die Schmerzabnahme bemisst sich üblicherweise bei therapierefraktären Schmerzzuständen objektiv vor allem auch in einer Reduktion der präinterventionellen analgetischen Medikation. Hierzu fehlen jegliche Daten.

Die von den Autoren angegebene ausgeprägte Schmerzreduktion auf der VAS-Skala von im Durchschnitt 9,3 auf 2,7 am 2. postinterventionellen Tag bzw. 2,9 nach 6 Monaten kann nicht einfach auf die PMMA-Applikation zurückgeführt werden. Die eigene Erfahrung mit der den gesamten Tumor erfassenden Thermoablation sakraler Metastasen zeigt, dass die Patienten in den ersten Tagen nach der Intervention weitgehend schmerzfrei sind, aber nach ca. 1 Woche für mehrere Wochen starke opiatpflichtige Schmerzen, auch bei in der Folge nachgewiesener kompletter Tumorablation, einsetzen, die über ca. 3 Monate bestehen. Mutmaßlich werden diese durch die thermisch induzierte Entzündungsreaktion um die Ablationsregion verursacht. Eine Bestimmung der Schmerzintensität 2 Tage nach der Intervention und nach 6 Monaten würde wie bei den Autoren eine weitgehende Schmerzarmut ergeben, die einen 6-monatigen weitgehenden schmerzfreien Zustand suggeriert, der aber nicht besteht. In einer Multicenterstudie mit einer Thermoablation sakraler Tumorherde wird trotz der umfangreicheren und besser kontrollierten Hitzeapplikation bis in die marginale Tumorzone lediglich eine Abnahme der Schmerzempfindung von durchschnittlich 7,9 auf 4,5 Punkte berichtet (Goetz MP et al. Percutaneous Image-Guided Radiofrequency Ablation of Painful Metastases Involving Bone: A Multicenter Study. J Clin Oncol 2004; 22: 300 – 306).

Bei der Ballonsakroplastie wird der aktive Randbereich des Tumors mit der schmerzsensitiven entzündlichen Umgebungsreaktion – wie auf den Abbildungen im Artikel gut erkennbar ist – durch die zentrale intratumorale PMMA-Applikation komprimiert, aber nicht direkt erreicht, sodass die weitere Tumorexpansion nicht beeinflusst wird. Es ist daher anzunehmen, dass in den folgenden 6 Monaten bis zum 2. Zeitpunkt der subjektiven Schmerzeinschätzung weitere Maßnahmen erfolgten. Welchen Aussagewert für die Effektivität der Ballonsakroplastie hat die subjektive Schmerzbeurteilung nach 6 Monaten der noch überlebenden Patienten, wenn etwa eine Radiatio oder eine Chemotherapie die Schmerzsituation beeinflusst haben und es keine Kontrollgruppe gab? Welche weiteren Maßnahmen erfolgten bei den einzelnen Patienten?

Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die PMMA-Applikation nur einen temporären schmerzreduzierenden Effekt durch den weiteren Tumorprogress haben könnte, der auch durch eine Radiatio mit wenigen Wochen Verzögerung bei gleichzeitig potenziell mehrjähriger Tumorkontrolle in der Mehrzahl der Fälle erzielt wird, erscheint die Rolle der Sakroplastie äußerst fraglich. In manchen Einzelfällen, bei denen eine Thermo- oder Kryoablation technisch ohne hohes Komplikationsrisiko durchführbar erscheint, sollte der Ablation in jedem Falle der Vorzug gegeben werden, da damit neben dem analgetischen Effekt der Tumorprogress lokal für die verbleibende Überlebenszeit im Gegensatz zur Sakroplastie aufgehalten werden kann. An einem vornehmlich zugbelasteten Skelettelement wie dem Os sacrum erzeugt im Gegensatz zu druckbelasteten Wirbelkörpern eine PMMA-Instillation keine Stabilisierung. Eine Arbeit zur lokalen Therapie von Tumordestruktionen im Os sacrum ohne Diskussion der Wertigkeit zu den Ablationstechniken ist in jedem Fall unvollständig.

Abschließend erscheint die Durchführung der Sakroplastie in Allgemeinanästhesie ohne Neuromonitoring problematisch, da neurale Schädigungen während der Intervention nicht erkannt werden. Ich bevorzuge bei thermischen Maßnahmen eine Lokalanästhesie mit i. v. Sedoanalgesie, um rechtzeitig aus der Patientenrückmeldung eine drohende irreversible Nervenschädigung zu erkennen und die Maßnahme ggf. abbrechen zu können. Im Übrigen sollten Maßnahmen mit bestenfalls sehr kurzfristigem Patientennutzen möglichst wenig belastend und nicht aufwendig bleiben.

Univ.-Doz. Dr. med. G. Reuther, Klinik für diagnostische und interventionelle Radiologie, Thüringen-Kliniken Saalfeld-Rudolstadt

 
  • Literatur

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