Z Gastroenterol 2014; 52(12): 1387-1388
DOI: 10.1055/s-0034-1385679
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Aktualisierte S3-Leitlinie „Diagnostik und Therapie des Morbus Crohn“ – aktuell oder neu?

Updated S3 guideline on diagnosis and treatment of Crohn’s disease: up to date or new?
A. Stallmach
1   Klinik für Innere Medizin IV (Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie), Universitätsklinikum Jena
,
J. Hoffmann
2   Medizinische Klinik I, St. Marien- und St. Annastiftskrankenhaus, Ludwigshafen
,
J. C. Preiß
3   Medizinische Klinik für Gastroenterologie, Infektiologie und Rheumatologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin
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Publication Date:
04 December 2014 (online)

Leitlinien medizinischer Fachgesellschaften sind systematisch entwickelte Hilfen für Ärzte und Patienten zur gemeinsamen Entscheidungsfindung in spezifischen Situationen. Im Regelwerk der Arbeitsgemeinschaft für Wissenschaftliche Medizinische Fachgesellschaften (AWMF e. V.) [1] wird ausgeführt, dass Leitlinien „auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und in der Praxis bewährten Verfahren“ ... beruhen und „für mehr Sicherheit in der Medizin“ sorgen sollen. Wie kaum eine andere Fachgesellschaft in Europa hat die DGVS für die verschiedensten gastroenterologischen und hepatologischen Erkrankungen einschließlich die der gastrointestinalen Onkologie – meist federführend in Kooperationen mit anderen Fachgesellschaften – qualitativ hochwertige Leitlinien, Richtlinien und Empfehlungen entwickelt. So sind zurzeit mehr als 20 Leitlinien, Richtlinien und Empfehlungen verfügbar. 10 Leitlinien sind sogenannte S3-Leitlinien und entsprechen den höchsten methodischen Ansprüchen, die die AWMF an die Formulierung von Leitlinien stellt. Der personelle und organisatorische Aufwand für diese Arbeiten ist immens, er wird aber durch unseren Anspruch an eine qualitativ hochwertige Diagnostik und Therapie bei Patienten mit gastroenterologischen Erkrankungen gerechtfertigt. In dieser Ausgabe der ZfG wird die Aktualisierte S3-Leitlinie „Diagnostik und Therapie des Morbus Crohn“ 2014 (AWMF-Registriernummer: 021 – 004) publiziert. Gleichzeitig finden Sie eine Übersicht zum Stellenwert von „Azathioprin in der Therapie des M. Crohn – eine Standortbestimmung vor dem Hintergrund aktueller Studien“. Warum eine „neue“ aktualisierte Leitlinie“ und zeitgleich eine Übersicht? Im letzten Jahr – nach Abschluss der strukturierten Konsensfindung für die oben genannte Leitlinie – sind mindestens drei wichtige Arbeiten zum Einsatz von Azathioprin beim Morbus Crohn hochrangig publiziert worden [2] [3] [4]. Die Ergebnisse dieser Arbeiten werden kontrovers diskutiert; für die einen sind diese Arbeiten der klare Beleg, dass Azathioprin – anders als in der Leitlinie empfohlen – keinen Stellenwert mehr hat; für die anderen haben diese Arbeiten erhebliche methodische Mängel, sodass es (weiterhin) klare Indikationen für den Einsatz von Azathioprin gibt. Ist somit die neue Leitlinie noch aktuell?

Das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin (äzq), eine gemeinsame Einrichtung der Bundesärztekammer und der kassenärztlichen Bundesvereinigung fordert, dass Leitlinien kontinuierlich auf ihre Gültigkeit überprüft und ggf. auch kurzfristig aktualisiert werden müssen. Dabei sollte klar erkennbar sein, wer für die Aktualisierung der Leitlinie verantwortlich ist und wie auf Änderungen in der Leitlinie hingewiesen wird. Auch wäre wünschenswert, wenn erläutert wird, warum eine Anpassung notwendig wurde. So erfordern die zurzeit fast im 3-Monatstakt erfolgen neuen Zulassungen der „direct acting antivirals“ bei der Hepatitis C kurzfristige Aktualisierungen der Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Hepatitis C. Mit dem Addendum vom 11.9.2014, welches auf der Homepage der DGVS abzurufen ist, ist dieses Dilemma vorbildhaft gelöst worden [5].

Während in den letzten Jahren große Fortschritte zum methodischen Vorgehen bei der Leitlinienerstellung erzielt wurden und ein klares Regelwerk erstellt werden konnte, gibt es zur Frage der optimalen Sicherstellung der Aktualität der Leitlinien keine eindeutigen Vorgaben. Nach dem Beschluss der ständigen Leitlinienkommission der AWMF werden die Leitlinien, deren Gültigkeit abgelaufen ist, von der AWMF nicht mehr publiziert. Als Ablaufdatum gilt die Angabe der Fachgesellschaft, wann die Leitlinie turnusgemäß überprüft werden soll. Unumstritten ist eine fünfjährige Gültigkeit ein (zu) langer Zeitraum; sodass aktualisierte Leitlinien zwar „neu“, aber doch nicht in allen Empfehlungen zeitgemäß sind. So wäre vorstellbar, dass aus der Leitlinienkommission heraus eine kleinere Arbeitsgruppe gebildet wird, die ihr Mandat durch die DGVS erhält und die für die notwendige Aktualisierung einer Leitlinie verantwortlich ist. Bei Leitlinien zu chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen sollten in dieser die verschiedenen Fachgesellschaften, das Kompetenznetz Darmerkrankungen und die Deutsche Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung (DCCV e. V). vertreten sein. Die Arbeitsgruppe hätte die Aufgabe, auch kurzfristig entscheidende Änderungen der klinischen Praxis zu kommunizieren. Die methodischen Anforderungen der AWMF (insbesondere Darstellung der Verantwortung für die Aktualisierung, der Durchführung der strukturierten Konsensfindung und Darstellung potenzieller Interessenkonflikte) müssen gewährleistet sein und der insgesamt bewährte Prozess der Leitlinienüberarbeitung darf nicht infrage gestellt werden. Ein Vorteil wäre auch, dass die Arbeit für die auch dann weiterhin notwendigen Aktualisierungen der Leitlinien etwas geringer wäre, da kontinuierlich gearbeitet wird.

Eine Weiterentwicklung des strukturierten Leitlinienprozesses in Hinblick auf klare Regelungen zur Aktualisierung trägt sicher zur Qualität der Patientenversorgung bei und sollte deshalb angestrebt werden.