Fortschr Neurol Psychiatr 2014; 82(12): 706
DOI: 10.1055/s-0034-1385538
Leserbrief
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C. W. Wallesch: Klinische Neuropsychologie: am Scheideweg oder am Scheitern? Fortschr Neurol Psychiatr 2014; 82: 371–372

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Publication Date:
09 December 2014 (online)

Der Autor beschreibt ein ernstzunehmendes Problem. Die von der GNP betriebene Qua­lifizierungskonzeption für Neuropsychologische Therapie als Weiterbildung für Psycholo­gische Psychotherapeuten (PP) und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (KJP) und die in 2012 erfolgte G-BA-Definition für Leistungserbringer, die Neuropsy­chologische Di­agnostik und Therapie zulasten der GKV erbringen dürfen, führen ge­radewegs dazu, dass es zukünftig viel zu wenig Leistungserbringer geben wird. Die Nachfrage nach die­ser Weiterbildung bei den Landespsychotherapeutenkammern ist (quasi) nicht vorhan­den. Die Psychotherapeutenkammer Schleswig-Holstein, die in dem Editorial kritische Würdigung erfährt, hat sich all die Jahre gegen diese verfehlte Qualifizierungskonzeption mit guten Argumenten zur Wehr gesetzt. Wer wollte, konnte von Anfang an sehen, dass sich diese Konzeption als Totgeburt entpuppen würde.

Anders als vom Autor dargestellt, ist die Rolle der Psychotherapeutenkammern zu beschreiben. Diese bilden nämlich keine Neuropsychologen aus, sondern sie regeln aus­schließlich Weiterbildung für PP und KJP. Die Ausbildung von Psychologen zu Neu­ropsychologen obliegt den Fachgesellschaften. Die GNP aber hat sich mit ihrer Politik in ein fachliches Dilemma manövriert. Sie sagt einerseits, dass eine komplette Ausbildung nach dem Psychotherapeutengesetz fachlich erforderlich ist, um dann anschließend in Weiterbildung qualifiziert Neuropsychologische Therapie lernen zu dürfen. Gleichzeitig suggeriert sie aber auch, dass diese umfangreiche Ausbildung nach dem Psychothera­peutengesetz selbst keinerlei fachlichen Wert für die Neu­ropsychologische Therapie hat, weil sie unterstellt, dass nur exakt derselbe Qualifi­zierungsumfang akzeptabel ist, der vorher für die Ausbildung von Psychologen defi­niert wurde.

Die Psychotherapeutenkammer Schleswig-Holstein hat vor dem Hintergrund der nicht zielführenden G-BA-Beschlüsse entschieden, für die Weiterbildung von PP und KJP ein gegenüber der Ausbildung von Psychologen reduziertes Weiterbildungscur­riculum für Psychotherapeuten vorzusehen. Diese Reduktion ist fachlich begründet und vor dem Hintergrund eines versorgungspolitischen Auftrags erforderlich, denn nur wenn durch Weiterbildung die Versorgung der Bevölkerung verbessert wird, darf Weiterbildung nach dem Heilberufekammergesetz in Schleswig-Holstein betrieben werden. Es bleibt aller­dings zu befürchten, dass selbst dieses reduzierte Curriculum kein nennenswertes Inte­resse bei potenziellen Leistungserbringern wecken dürfte. Spätestens dann müssten sich alle wesentlichen Entscheider erneut zusammenset­zen und die bisher gefundenen Wege einer ernsthaften Tauglichkeitsprüfung unter­ziehen.