Hebamme 2014; 27(4): 224
DOI: 10.1055/s-0034-1384467
Editorial
Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG Stuttgart

Die Verletzbarkeit der Frühgeborenen und die Sorgen der Eltern

Christine Allgeier
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Publication Date:
16 December 2014 (online)

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Sehr geehrte Leserinnen, sehr geehrte Leser,

die Klientel der Hebammen – Schwangere, Gebärende, Wöchnerinnen und ihre Neugeborenen – ist ein verletzbarer Personenkreis. Frühgeborene sind es ganz besonders.

Wir wissen inzwischen sehr viel über ihre Bedürfnisse. Die Vorteile einer sanften und entwicklungsfördernden Betreuung sind unumstritten. Sie beinhaltet Aspekte wie räumliche Nähe und Haut-zu-Haut-Kontakt zwischen Eltern und Kind, Tag-und-Nacht-Rhythmus, Stillen und Muttermilchernährung, Vermeidung von unnötigen Reizen durch Licht, Geräusche und Gerüche.

Am drängendsten ist derzeit weniger die Frage nach den Bedürfnissen von Frühgeborenen, denn hierüber ist viel bekannt. Drängender erscheint mir vielmehr die Frage, inwieweit diese Bedürfnisse in den neonatologischen Abteilungen tatsächlich gedeckt werden und nach den förderlichen bzw. hinderlichen Strukturen hinsichtlich dieser Bedarfsdeckung. Ausreichende Ressourcen und der politische Wille des Klinikmanagements sind sicher zentral für die Realisierung einer entwicklungsfördernden Betreuung.

Welche Kompetenzen brauchen Hebammen in der Betreuung von frühen und späten Frühgeborenen oder „kleinen“ Neugeborenen, deren Wachstum intrauterin gestört war? Die Antwort hängt vom individuellen Pflegebedarf des Kindes ab und vom Zeitpunkt der Betreuung. Köster zeigt z. B. sehr anschaulich, weshalb sich Hebammen besonders um die späten Frühgeborenen kümmern müssen, die auf der regulären Wochenstation sind, die gestillt werden und die zunächst kräftig und lebhaft wirken.

Eines haben jedoch alle gemeinsam: Ihre Eltern haben Grund zur Sorge und brauchen Unterstützung! An einer adäquaten Betreuung von betroffenen Familien in der Klinik und zuhause sind – je nach individueller Situation – verschiedene Akteure beteiligt, wie die häusliche Kinderkrankenpflege, psychologische Beratung, Physiotherapie. Sinnvoll sind eine Vernetzung der verschiedenen Akteure, niedrigschwellige Angebote und ein „Lotse“ für die Eltern durchs Gesundheitssystem, damit die Inanspruchnahme für die Eltern erleichtert wird. In Deutschland gibt es viele vielversprechende Modelle. Doch für eine flächendeckende Versorgung müssen diese ihren Modellstatus überwinden. Hebammenhilfe ist ein zentrales Element in dieser Versorgung, weil alle Frauen Anspruch auf Hebammenhilfe im Wochenbett und bei Stillschwierigkeiten und Ernährungsproblemen haben.

Diese Ausgabe von Die Hebamme beinhaltet viele Erkenntnisse, die nützlich sind für die Betreuung von betroffenen Familien. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen und viele Anregungen für Ihre Arbeit mit den betroffenen Familien.