Geburtshilfe Frauenheilkd 2014; 74 - A14
DOI: 10.1055/s-0034-1376474

Messabweichungen in der AMH-Bestimmung

C Reisenbüchler 1, K Kast 1, A Lauterbach 1, M Goeckenjan 1, P Wimberger 1, W Distler 1
  • 1Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus – Dresden

Das Glykoprotein Anti-Müller-Hormon (AMH), das als Homodimer ein Gewicht von 140 kDa aufweist und zur TGF-ß-Familie gehört, wird als wichtiger Marker der ovariellen Reserve klinisch genutzt. Erniedrigte Werte finden sich bei eingeschränkter ovarieller Funktionsreserve, die durch ein schlechteres Ansprechen auf eine kontrollierte ovarielle Stimulation im Rahmen der künstlichen Befruchtung gekennzeichnet ist. Patientinnen mit niedrigen AMH-Spiegeln im Serum benötigen höhere FSH-Gaben. AMH hat dabei eine Bedeutung zur Abschätzung der Erfolgsaussichten einer reproduktionsmedizinischen Maßnahme und dient als Entscheidungshilfe.

Studienfrage:

Im Frühjahr 2013 wurde bekannt, dass der bis dahin genutzte AMH-Generation II ELISA-Kit durch Störungen des Komplements im Serum zu falsch niedrigen Ergebnissen führen kann, mit Abweichungen um bis zu 50'%. Die Firma, die den Kit herstellt, empfahl die Bestimmung erst nach Vorverdünnung der Proben durchzuführen. Anhand einer retrospektiven vergleichenden Analyse sollte geklärt werden, ob die früher bestimmten AMH-Werte signifikant sich von den Testergebnissen, die mit der neuen Verfahrensanweisung bestimmt wurden, unterschieden. Dazu wurden Serumproben genutzt, die im Rahmen einer Doktorarbeit asserviert wurden.

Methode:

In die Studie wurden Analysen von 68 Patientinnen eingeschlossen, die eine ICSI Behandlung in der IVF-Ambulanz der Universitätsfrauenklinik Dresden von März 2010 bis Dezember 2012 erhielten und deren AMH-Werte in unserem Hormonlabor innerhalb von 6 Monaten vor Stimulationsbeginn gemessen wurden (Enzyme-linked Immunosorbent Assay). Es wurden die original AMH-Werte mit Kontroll-AMH-Werten aus Rückstellmustern der Patientinnen verglichen. Dabei wurde aus den Rückstellmustern in einem Versuchsansatz jeweils eine intra-Assay-Bestimmung durchgeführt. Variante 1: Bestimmung des AMH mittels Verdünnung auf Testplatte. Variante 2: Aktuelle Empfehlung der Herstellerfirma Beckman Coulter mit Bestimmung des AMH-Wertes nach Vorverdünnung.

Ergebnisse:

Die Zuverlässigkeit der AMH-Bestimmung war in dieser Untersuchung starken Schwankungen unterworfen. In insgesamt 38,6% der Fälle wichen die Kontrollbestimmungen von den Originalwerten ab. Der Großteil (43,9%) der Kontrollwerte wich nach oben ab und war im Vergleich zum Originalwert höher. Bei 13,8% wichen die Kontrollwerte nach unten ab. Die Standardabweichung der Abweichungen beträgt 1,5 ng/ml. Die Abweichungen variieren besonders bei Bestimmungen die im Jahr 20011 – 2012 durchgeführt wurden, obwohl der gleiche Kit mit gleicher Bestimmungsmethode genutzt wurde. Eine herstellerinterne Veränderung des AMH Gen II ELISA-Kit ab 2012 könnte eine mögliche Erklärung sein, die dann auch im Frühjahr 2013 zu einer Veränderung der Anwendungsvorschrift geführt hat.

Schlussfolgerung:

Laborbefunde sind vermeidbaren und unvermeidbaren Einflüssen unterworfen, die die Aussagefähigkeit und Zuverlässigkeit einer Labormethode vermindern können. Dies hat Einfluss auf therapeutische Entscheidungen im klinischen Alltag. Zur Abschätzung von Erfolgsaussichten einer reproduktionsmedizinischen Maßnahme sollten auch klinische Aspekte wie antrale Follikelanzahl und klinisches Ansprechen auf bisherige hormonelle Stimulationen in die Festlegung der individuellen Stimulationsdosis einbezogen werden.