Zielsetzung:
Misoprostol (Cytotec®) wurde ursprünglich zur Therapie von gastrointestinalen Ulzera
entwickelt und zugelassen. Eine Nebenwirkung ist die Induktion von Kontraktionen am
graviden Uterus, wofür Misoprostol auf der WHO-Liste der „Essential Medicines“. Ziel
dieser Arbeit war eine Standortbestimmung zum Einsatz von Misoprostol an deutschen
Geburtskliniken sowie Abgleich der Daten mit den Dosis-Empfehlungen der WHO, ACOG,
SCOG, RCOG und DGGG.
Methodik:
Von Mai-Juli 2013 wurde eine deutschlandweite Befragung aller geburtshilflichen Kliniken
zum Einsatz von Misoprostol in der Geburtsmedizin mittels Fragebogen durchgeführt.
Angeschrieben wurden alle Kliniken mit Geburtshilfe in Deutschland (n = 738).
Ergebnisse:
Von den angeschriebenen Kliniken haben 69% (n = 542) geantwortet, davon setzen 66%
(n = 355) Misoprostol zur Geburtseinleitung ein. Kliniken mit einer hohen Einleiterate
(≥30%) setzten signifikant häufiger Misoprostol ein als Kliniken mit einer Rate <
30% (p = 0,01). Die häufigste Applikationsform von Misoprostol zur Geburtseinleitung
in Deutschland ist Tablette (p.o.) (91%; n = 322). Misoprostol-Nutzer gaben im Vergleich
zu Kliniken ohne Misoprostoleinsatz signifikant häufiger an, über einen hausinternen
Standard zur Geburtseinleitung zu verfügen (p = 0,013). In Deutschland gibt es mindestens
42 unterschiedliche Schemata, das am Häufigsten genannte Schema (50 µg p.o. alle 4h,
steigern auf 100 µg) kommt in 138 Kliniken (39%) zur Anwendung. Keine der Kliniken
hält sich an das von der DGGG vorgegebene Schema: 25 µg vaginal alle 4 – 6h; (AWMF
015/031 (S1), 2010, Misoprostol wird hier als Alternative genannt, aktuell in Überarbeitung),
wobei 25% der Kliniken dies angaben. 26% der Kliniken gaben an, sich an die Empfehlungen
der WHO zu halten (25 µg alle 2h p.o. oder alle 6h vaginal), nur 1 Klinik setzt Misoprostol
tatsächlich so ein. Das Schema der Kanadier (SCOG) wenden 20 Kliniken an (5,7%): 50
µg p.o. alle 4h.
Diskussion:
Trotz „off-label use“ wird Misoprostol in Deutschland von der Mehrheit der Kliniken
zur Geburtseinleitung eingesetzt, aber nur in wenigen Kliniken wie von der DGGG oder
anderen Fachgesellschaften empfohlen. Dies ist möglicherweise dem breiten Spektrum
an internationalen Empfehlungen geschuldet. Im internationalen Vergleich werden in
Deutschland zu hohe Dosen Misoprostol während der Geburtseinleitung verabreicht. Wünschenswert
wäre eine literatur- und praxisangepasste Empfehlung der DGGG im Rahmen der Erstellung
der neuen Leitlinie.