Senologie - Zeitschrift für Mammadiagnostik und -therapie 2014; 11 - A139
DOI: 10.1055/s-0034-1375498

Therapieverzicht bei metastasiertem Mammakarzinom: die Ausnahme oder eine kaum wahrgenommene große Patientinnengruppe?

M Vetter 1, U Güth 2, 3, 4
  • 1Universitätsspital Basel, Klinik für Medizinische Onkologie, Basel, Schweiz
  • 2Kantonsspital Winterthur, „Brustzentrum seno suisse“, Winterthur, Schweiz
  • 3Kantonsspital Winterthur, Klinik für Gynäkologie, Winterthur, Schweiz
  • 4Universitätsspital Basel, Frauenklinik, Basel, Schweiz

Zielsetzung: Die Arbeit untersucht, wie häufig in der palliativen Situation des Mammakarzinoms, d.h. nach Diagnose von Fernmetastasen, keine systemischen antineoplastischen Therapien mehr zum Einsatz kommen.

Material & Methoden: Ausgehend von der Gesamtkohorte aller Patientinnen, die zwischen 1990 und 2013 in der Universitäts-Frauenklinik Basel mit einem metastasierten Mammakarzinom behandelt wurden (n = 369), wurden die 317 Patientinnen evaluiert, die am Mammakarzinom verstorben sind, d.h. bei denen abgeschlossene palliative Therapieverläufe komplett dokumentiert waren.

Ergebnisse: 41 Patientinnen (12,9% der Studiengruppe) erhielten in der palliativen Situation keine systemische Therapie mehr (≤59 Jahre bei Erstdiagnose von Fernmetastasen: 8,1%; 60 – 69 Jahre: 11,9%; ≥70 Jahre: 19,1%). Im Vergleich zu Patientinnen, welche eine systemische palliative Therapie erhielten, waren diejenige ohne Therapie signifikant älter (71 vs. 63 Jahre, p < 0,001), hatten ein geringeres Überleben in der metastatischen Situation (2 vs. 23 Monate, p < 0,001) und hatten eine sekundäre Metastasierung (95,1% vs. 75,4%); sie hatten auch häufiger bereits in der adjuvanten Situation eine systemische Therapie abgelehnt (12,8% vs. 4,8%, p = 0,068).

Zusammenfassung: Bei älteren Patientinnen werden in der palliativen Situation des Mammakarzinoms häufig keine systemischen Therapien mehr durchgeführt. Aber auch bei jüngeren Patientinnen ist dieses mit etwa 10% der Fall. Gründe dafür sind rasch foudroyante Verläufe, aber auch der bewusste Therapieverzicht. Die große Erfahrung von Onkologen in der palliativen Betreuung wird üblicherweise durch die Patientinnen geprägt, welche durch systemische Therapien häufig mehrjährige Krankheitsverläufe zeigen. Patientinnen ohne systemische Therapie dürften im Bewusstsein von Onkologen dagegen eher unterrepräsentiert sein; dennoch sind sie ein nicht unbeträchtlicher Teil der Entität „metastasiertes Mammakarzinom“.