Senologie - Zeitschrift für Mammadiagnostik und -therapie 2014; 11 - A46
DOI: 10.1055/s-0034-1375405

Mammakarzinompatientinnen und Suizid – ein einzelfallorientierter Ansatz mit Daten aus der Schweiz

U Güth 1, 5, 6, T Reisch 2, G Bosshard 3, SM Schmid 4
  • 1Kantonsspital Winterthur, „Brustzentrum seno suisse“, Winterthur, Schweiz
  • 2Psychiatriezentrum Münsingen, Münsingen, Schweiz
  • 3Universitätsspital Zürich, Klinik für Geriatrie, Zürich, Schweiz
  • 4Spital Grabs, Frauenklinik, Grabs, Schweiz
  • 5Kantonsspital Winterthur, Klinik für Gynäkologie, Winterthur, Schweiz
  • 6Universitätsspital Basel, Frauenklinik, Basel, Schweiz

Zielsetzung: Epidemiologische Studien zeigen bei Brustkrebspatientinnen erhöhte Suizidraten. Unsere Arbeit zeigt eine mehr einzelfallorientierte Aufarbeitung des Themas. Daten aus der Schweiz sind besonders interessant, weil in diesem Land die Beihilfe zum Suizid durch den Arzt zulässig ist. Dieses führt dazu, dass entsprechende Fälle in den offiziellen Statistiken auch als „Suizid“ geführt werden.

Material & Methoden: Es wurden alle Mammakarzinompatientinnen berücksichtigt, die zwischen 1990 und 2006 an der Frauenklinik des Universitätsspitals Basel behandelt wurden (n = 1165). Die Fälle sind in der prospektiven Basler Mammakarzinom-Datenbank hinterlegt. Die identifizierten Suizidfälle wurden individuell durch psychologische Autopsien aufgearbeitet.

Ergebnisse: Bei sechs Patientinnen (0,5%; 5,1/1.000 Mammakarzinompatientinnen) wurde ein Suizid als Todesursache identifiziert. Bei vier Patientinnen erfolgte der Suizid in späten Phasen der metastatischen Mammakarzinomerkrankung. In zwei Fällen waren schwere Komorbiditäten ausschlaggebend für die Selbsttötung. In drei Fällen erfolgte ein ärztlich assistierter Suizid.

Zusammenfassung: Im Vergleich zu epidemiologischen Studien zum Thema „Suizid bei Mammakarzinompatientinnen“ fanden wir bei unserer stärker einzelfallorientierten Aufarbeitung eine 2 – 7-fach höhere Suizidrate. Man muss anzweifeln, inwieweit epidemiologische Untersuchungen überhaupt in der Lage sind, eine so stark vom Individuum beeinflusste Zielvariable wie den Suizid adäquat zu erfassen. Die veröffentlichten Studien überblicken zwar große Patientenkohorten, sie weisen aber schwere methodische Schwächen auf, da sie weder krankheitsrelevante Faktoren (wichtig wäre hier die Erfassung der Diagnose von Fernmetastasen, d.h. die Erfassung einer nicht mehr heilbaren Erkrankung) noch somatische oder psychiatrische Komorbiditäten berücksichtigten. Darüber hinaus stammt die Mehrzahl der Untersuchungen aus Ländern, in dem die ärztliche Beihilfe zum Suizid verboten ist. Fälle im rechtlichen Graubereich sind in den offiziellen Statistiken daher unterrepräsentiert.