Diabetologie und Stoffwechsel 2014; 9 - P121
DOI: 10.1055/s-0034-1374978

Risikofaktoren für schwere Hypoglykämien bei Typ-1-Diabetes

A Holstein 1, T Tiemann 2, O Patzer 1, JD Holstein 3, P Kovacs 4, T Wohland 4
  • 1Klinikum Lippe-Detmold, Medizinische Klinik I, Detmold, Germany
  • 2Diabetologische Schwerpunktpraxis, Rinteln, Germany
  • 3Campus Virchow-Klinikum, Charite' Universitätsmedizin Berlin, Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Nephrologie und Internistische Intensivmedizin, Berlin, Germany
  • 4Universität Leipzig, Integriertes Forschungs- und Behandlungszentrum Adipositas-Erkrankungen, Leipzig, Germany

Fragestellung: Die Fallkontrollstudie untersuchte Risikofaktoren für schwere Hypoglykämien (SH) bei Typ-1-Diabetikern.

Methoden: Im Zeitraum 2007 – 2013 wurden prospektiv für eine ostwestfälische Region mit ca. 200.000 Einwohnern die Charakteristika von SH registriert. SH waren durch eine neuroglukopenische Symptomatik, eine initiale Blutglukose von < 50 mg/dl und die Notwendigkeit der i.v. Glukose- bzw. Glukagon-Gabe definiert. Klinische Merkmale von Patienten mit SH wurden mit denen einer unselektionierten regionalen Kontrollgruppe von 165 Typ-1-Diabetikern ohne SH verglichen.

Ergebnisse: Im Untersuchungszeitraum wurden bei 189 Typ-1-Diabetikern insgesamt 356 Ereignisse von SH registriert. 50,6% (180/356) aller Episoden traten bei nur 29 Patienten auf, die ≥3 SH erlitten. Bei ähnlichem Lebensalter (48,0 ± 19,0 vs. 47,5 ± 17,4), ähnlicher Diabetesdauer (24,7 ± 15,5 vs. 23,8 ± 15,2 Jahre; n.s.) und vergleichbarem HbA1c (7,5 ± 1,3% vs. 7,7 ± 1,4%; n.s.) waren hypoglykämische Typ-1-Diabetiker gegenüber der Kontrollgruppe durch vermehrte Störungen der Hypoglykämie-Wahrnehmung (20,1% vs. 15,2%; p = 0,024), seltenere Blutglukoseselbstkontrollen (31,8 ± 11,3 vs. 35,9 ± 13,8 Messungen/Woche; p = 0,026), häufigere Demenz (6,9% vs. 1,2%; p = 0,002) sowie höhere Pflegebedürftigkeit (Heimversorgung bzw. amb. Pflegedienst 9% vs. 1,8%; p = 0,0004) gekennzeichnet. Bei geringerer Kreatinin-Clearance (91,3 ± 40,4 vs. 99,8 ± 62,4 ml/min.; p = 0,033) war die Insulintagesdosis der Patienten mit SH geringer (44,4 ± 17,8 I.U. vs. 51,0 ± 24,5 I.U.; p = 0,007). Hypoglykämische Typ-1-Diabetiker verwandten seltener Kurzzeit-Insulinanaloga (52,4% vs. 83,6%; p < 0,001), während der Gebrauch von NPH-Insulin häufiger war (16,4% vs. 4,8%; p = 0,019). Kardiovaskuläre und andere Komorbiditäten sowie Anzahl der Komedikationen unterschieden sich nicht signifikant.

Schlussfolgerungen: Typ-1-Diabetiker mit SH grenzen sich gegenüber der Gruppe ohne SH klar ab. Der Komplex multipler additiver Risikofaktoren für SH dürfte teilweise therapeutisch beeinflussbar sein. Insbesondere auch die große Gruppe von Typ-1-Diabetikern mit rekurrenten SH erfordert besondere Betreuungskonzepte.