Zeitschrift für Palliativmedizin 2014; 15 - PD249
DOI: 10.1055/s-0034-1374420

Klinisch relevante und statistisch signifikante Prädiktoren von Suizidversuchen bei Jugendlichen in Deutschland: Ergebnisse einer repräsentativen Studie

C Donath 1, E Gräßel 1, D Baier 2, S Bleich 3, T Hillemacher 3
  • 1Zentrum für Medizinische Versorgungsforschung, Psychiatrische Universitätsklinik Erlangen, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland
  • 2Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen, Hannover, Deutschland
  • 3Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland

Fragestellung: Suizidale Gedanken und Suizidversuche sind ernste aber nicht seltene Phänomene bei Jugendlichen. Es gibt zahlreiche Initiativen, die die Möglichkeit der Verhinderung ernsthafter Selbstverletzungen und Suizide diskutieren. Dafür ist fundiertes und regional/kulturell zutreffendes Wissen über Schutz- und Risikofaktoren notwendig. Das Ziel dieser Studie ist, statistisch signifikante und klinisch relevante Schutz- und Risikofaktoren für Suizidversuche bei Jugendlichen in Deutschland mithilfe einer repräsentativen Stichprobe zu identifizieren.

Methodik: In den Jahren 2007/2008 wurde eine schriftliche repräsentative Befragung von 44.610 Schülern verschiedener Schularten der 9. Klasse in Deutschland durchgeführt. Es wurden die Prävalenz von Suizidversuchen sowie mehrere Variablen aus dem intraindividuellen und sozialen Umfeld erhoben. In einer multivariaten binärlogistischen Regression wurden nach Testung auf Multikollinearität 19 Prädiktorvariablen eingeschlossen, um ihren Zusammenhang mit Suizidversuchen zu prüfen.

Ergebnis: Insgesamt zeigten 16 Prädiktoren einen statistisch signifikanten Zusammenhang (p < 0.001), davon wurden 9 auch als klinisch relevant eingeschätzt (OR ≥1,2 oder OR≤0,8): weibliches Geschlecht, Migrationshintergrund, ADHS-Diagnose, Rauchen, Binge Drinking, Schulschwänzen, elterliche Trennungserfahrungen, Authoritativer Erziehungsstil und Ablehnend-vernachlässigender Erziehungsstil.

Schlussfolgerung: Die Studie konnte lediglich einen Schutzfaktor für Suizidversuche bei Jugendlichen identifizieren: Authoritativer Erziehungsstil in der Kindheit, das heißt sowohl hohe elterliche Zuneigung und Kontrolle. Für die Versorgung relevant scheinen insbesondere Risikofaktoren, die zumindest theoretisch beeinflussbar sind und für die es möglich wäre, bestehende Präventionsprogramme zu adaptieren. Dies trifft auf Risikogruppen wie Jugendliche mit Migrationshintergrund oder Kinder mit ADHS-Diagnose zu sowie auf Jugendliche mit aktuellem Substanzkonsum.