Zeitschrift für Palliativmedizin 2014; 15 - PB98
DOI: 10.1055/s-0034-1374305

Biographische Erzählungen als Ressource in der palliativen Versorgung

A Hanses 1, K Heuer 1, K Paul 1
  • 1TU Dresden, Fakultät Erziehungswissenschaften, Dresden, Deutschland

Im Zuge der Analyseprozesse im DFG-Forschungsprojekt ‚Konstruktionen des Sterbens – Analyse biographischer und professioneller Perspektiven im Dienstleistungskontext' traten auffällige Besonderheiten in den biographischen Selbstpräsentationen zu Tage, die mit schwerst kranken/sterbenden Menschen in stationären Hospizen und Palliativstationen geführt wurden. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass wenn das Sterben durch institutionelle Verweisungen klar markiert wird, sich damit auch für die PatientInnen das baldige Sterben als unausgesprochene Realität eröffnet. Ist das eigene Sterben innerlich ratifiziert erschafft es nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die Notwendigkeit einer biographischen Umdeutung der Lebensgeschichte. In diesem Zusammenhang zeigten die biographischen Selbstentwürfe der schwerst kranken/sterbenden Menschen keine expliziten Thematisierungen von konflikthaften Begebenheiten, Divergenzen und Brüchen sowie keine reibungsvollen Auseinandersetzungen mit Institutionen und relevanten Anderen. Die Umdeutung des Lebens besitzt für die Auseinandersetzung des eigenen Versterbens, so die These, eine entscheidende Bedeutung: Sie erschafft in der Neuausrichtung des eigenen Lebens ein wesentliches Bewältigungspotential mit der besonderen und prekären Situation umzugehen. In dieser Hinsicht ist die Konstruktion einer neuen biographischen Wirklichkeit eine zentrale Ressource in der Auseinandersetzung mit dem eigenen Sterben. Das Potential biographischer Erzählungen bietet für die professionelle Begleitung Sterbender wichtige Anknüpfungspunkte.