Zeitschrift für Palliativmedizin 2014; 15 - PB95
DOI: 10.1055/s-0034-1374302

„Palliativmedizin ist für mich Sterben und soweit bin ich noch nicht“ – Qualitative Längsschnittstudie zu Patienten mit fortgeschrittenen unheilbaren Lungenerkrankungen

H Stanze 1, N Schneider 1, F Nauck 2, G Marx 2
  • 1Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Allgemeinmedizin, Hannover, Deutschland
  • 2Universitätmedizin Göttingen, Klinik für Palliativmedizin, Göttingen, Deutschland

Hintergrund: Chronisch progrediente Lungenkrankheiten zählen zu den häufigsten Todesursachen. Lungenkrebs und COPD können in fortgeschrittenen Stadien ähnliche körperliche Symptome (u.a. Atemnot) und psychosoziale Belastungen verursachen. Ziel dieser Studie ist die Untersuchung der Bedürfnisse und Sichtweisen von Patienten und ihren Angehörigen im Krankheitsverlauf.

Methoden: Qualitative prospektive Längsschnittstudie über 12 Monate mit 4 Erhebungszeitpunkten und 40 Patienten (20 je Gruppe); ergänzende Gruppendiskussionen mit Angehörigen; Analyse mit Grounded Theory. Expertenworkshop zur Diskussion der Ergebnisse und Erarbeitung von Strategien für eine Optimierung der Versorgung bei fortgeschrittener inkurabler Erkrankung.

Ergebnisse: Erste Ergebnisse zeigen, dass die Diagnosestellung von Patienten unterschiedlich erlebt wird: während mit Lungenkrebs eine akute Lebensbedrohung assoziiert wird, bleibt die COPD abstrakt. Im Krankheitsverlauf unterscheiden sich sowohl das akute Therapieempfinden (Linderung vs. Belastung) als auch der therapeutische Bedarf (z.B. Physiotherapie, psychosoziale Unterstützung). Als Zeichen der Aufrechterhaltung von Normalität wird der in beiden Gruppen erhöhte pflegefachliche Unterstützungsbedarf hinausgezögert. Die Inanspruchnahme palliativmedizinischer Mitbehandlung wird häufig mit der Aufgabe der krankheitsbezogenen therapeutischen Behandlung und Einleitung der Sterbephase gleichgesetzt und daher vermieden.

Schlussfolgerung: Die Implementierung krankheitsbegleitender psychosozialer und pflegerischer Unterstützung im Rahmen der Behandlung ist für Patienten und Angehörige in beiden Gruppen angezeigt. Ein offener Umgang mit und eine umfangreiche Aufklärung über Vorteile einer umfassenden psychosozialen und allgemein-pflegefachlichen Unterstützung sowie frühzeitiger allgemeiner und bei Bedarf spezialisiert palliativmedizinischer Behandlung könnte die häusliche Situation entlasten und die Krankheitslast verringern.