Zeitschrift für Palliativmedizin 2014; 15 - PA15
DOI: 10.1055/s-0034-1374240

Indikation für lebenserhaltende Maßnahmen bei Kindern und Jugendlichen: Fokusgruppen mit Pädiatern in Deutschland und der Schweiz

JD Lotz 1, C Marhold 2, RJ Jox 2, M Führer 1, GD Borasio 3
  • 1Dr. von Haunersches Kinderspital, Kinderpalliativzentrum, München, Deutschland
  • 2Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin, Ludwig-Maximilians Universität, München, Deutschland
  • 3Centre Hospitalier Universitaire Vaudois, Service de Soins Palliatifs, Lausanne, Schweiz

Theorie: Entscheidungen über lebenserhaltende Maßnahmen bei Kindern/Jugendlichen werden erschwert durch unsichere Prognosen, einwilligungsunfähige Patienten und eine hohe emotionale Belastung. Bei den Entscheidungen kommt der ärztlichen Indikationsstellung eine große Bedeutung zu. Die vorliegende Studie untersucht bedeutsame Entscheidungsfaktoren für die Indikationsstellung zu lebenserhaltenden Maßnahmen.

Methoden: Es wurden insgesamt drei Fokusgruppen mit je sechs Pädiatern unterschiedlicher Fachbereiche in München und Lausanne durchgeführt. Die Indikation für lebenserhaltende Maßnahmen wurde anhand zweier Fallvignetten diskutiert. Die relevanten Entscheidungskriterien wurden inhaltsanalytisch herausgearbeitet.

Ergebnisse: Die Pädiater nannten empirische Daten und Expertenmeinungen als wichtige Informationsquellen für Indikationsentscheidungen. Folgende Entscheidungsfaktoren wurden an beiden Standorten gleichermaßen diskutiert:

(1) Medizinische Faktoren: aktueller Gesundheitszustand, Krankheitsgeschichte, Reversibilität der Schäden, zukünftige Teilhabe am Leben;

(2) psychosoziale Faktoren: familiäre Situation, Coping der Familie, Elternwille, (mutmaßlicher) Kindeswille;

(3) ökonomische Faktoren: finanzielle Kosten für die Familie/Gesellschaft, Verteilungsgerechtigkeit bei Ressourcenknappheit;

(4) ethische Faktoren: Patientenautonomie, Verpflichtung zum Lebensschutz;

(5) persönliche Faktoren: eigene Intuition, Unbehagen bei Therapiebegrenzungen, Hoffnung auf medizinischen Fortschritt, Angst vor Übertherapie.

Diskussion: Bei der Indikationsstellung zu lebenserhaltenden Maßnahmen berücksichtigen Pädiater medizinische, psychosoziale, ökonomische, ethische und persönliche Faktoren. In den Diskussionen zeigten sich keine bedeutsamen Unterschiede zwischen der deutschen und schweizerischen Praxis. Der Eltern- und Kindeswille beeinflusst die Indikationsstellung. Es fehlen oftmals empirische Daten zu Behandlungsergebnissen als Grundlage für medizinische Entscheidungen.