Werturteile bei der Entscheidungsfindung im interdisziplinären Tumorboard. Ergebnisse einer qualitativen Beobachtungsstudie

Fragestellung: Tumorboards als multidisziplinäre Expertengremien spielen eine Schlüsselrolle für Behandlungsentscheidungen bei an Krebs erkrankten Patienten. Die im Rahmen des Tumorboard diskutierten Fälle betreffen häufig Patienten mit nicht heilbaren Krebserkrankungen. Gegenstand dieser Untersuchung ist die Analyse ethisch relevanter Aspekte bei Behandlungsempfehlungen durch das Tumorboard.

Methode: Nicht-teilnehmende Beobachtung eines Tumorboards durch Wissenschaftler mit unterschiedlichem disziplinärem Hintergrund an einem deutschen Universitätsklinikum. Erstellung von anonymisierten Beobachtungsprotokollen und qualitative Analyse durch wenigstens zwei Wissenschaftler

Ergebnisse: Es wurden 13 Tumorboard Sitzungen beobachtet und die Entscheidungsfindung bei 136 Patienten dokumentiert. Die Datenanalyse zeigt, dass neben medizinisch-technischen Aspekten auch Werturteile und andere nicht-medizinische Aspekte die Entscheidungsfindung im Tumorboard beeinflussen. Ein Beispiel hierfür ist der Verweis auf den Patientenwillen, insbesondere im Fall der Ablehnung von Therapieverfahren durch den Patienten oder auch bei ausgeprägtem Therapiewunsch. Ein weiteres typisches Beispiel für nicht-medizinische Einflussfaktoren ist der Verweis auf die psycho-soziale Situation des Patienten, auf die insbesondere in besonders schwierigen Entscheidungssituationen Bezug genommen wird.

Schlussfolgerungen: Die Analyse zeigt, dass im Rahmen der Entscheidungsfindung von Tumorboards Werturteile und andere nicht-medizinische Faktoren die Entscheidungsfindung, häufig implizit, beeinflussen. Die Explikation von Werturteile und weiteren nicht-medizinischen Aspekten für eine professionelle Entscheidungsfindung wird unter besonderer Berücksichtigung von Entscheidungen bei Patienten mit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen diskutiert.