Zeitschrift für Phytotherapie 2014; 35(02): 85-87
DOI: 10.1055/s-0034-1371721
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Wie hoch ist der Wert der „Erfahrung“ für eine Therapie mit Pflanzen?

Bernhard Uehleke

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Publication Date:
15 May 2014 (online)

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Der Wert traditioneller Anwendungen und ethnobotanischen Wissens wird gemeinhin sehr hoch eingeschätzt und übersteigt mitunter denjenigen moderner Forschungsentwicklungen. Vielmehr werden die sog. „Erfahrungen“ über Generationen oder gar Jahrtausende als eine besonders valide Art von Wissen interpretiert – nach dem Motto „Tausende von Heilern und Patienten können sich nicht irren“. Damit schließt man an früher gerne gebrauchte romantische Bekenntnisse an, wie beispielsweise die des Naturheilers und Pfarrers Sebastian Kneipp, der glaubte, der Herrgott habe schon gegen jede Krankheit ein Kräutlein wachsen lassen – und die Ethnobotanik bestätigt, dass in unmittelbarer Nähe wachsende Pflanzen bevorzugt als Heilpflanzen genutzt wurden.

Dabei wird jedoch meistens übersehen, dass Erfahrungen im therapeutischen Alltag damals wie heute extrem Bias-anfällig sind. Wer kann denn schon im Einzelfall mit Sicherheit etwas zur Kausalität einer Therapie mit dem weiteren Verlauf einer Erkrankung sagen? Dieses Problem einer rationalen Erkenntnis ohne Bias dürfte früher kaum geringer ausgefallen sein, insbesondere wenn Heiler und Patienten sich bald aus den Augen verloren. Im Folgenden stelle ich wesentliche kritische Aspekte zum Wert einer traditionellen Erfahrung in geordneter Reihenfolge dar und weise auf Widersprüche zur Annahme hin, die Erfahrung würde quasi evolutionsartig über die Tradition der Therapeuten zu einer optimalen Nutzung einer Heilpflanze oder umgekehrt zur optimalen phytotherapeutischen Therapie einer bestimmten Erkrankung führen. Die Leser mögen gerne in eine Diskussion zu diesem für die Phytotherapie so wichtigen Thema eintreten.

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Können Einzelfallbeobachtungen retrospektiv objektiviert werden?
(© Thieme Verlagsgruppe/Kirsten Oborny)