Klinische Neurophysiologie 2014; 45 - P110
DOI: 10.1055/s-0034-1371323

Lexikalische versus prozedurale Verarbeitung sprachlicher Reize im Thalamus versus Subthalamus

HO Tiedt 1, F Ehlen 1, LK Krugel 1, AA Kühn 2, F Klostermann 1
  • 1Charité – Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Neurologie, Campus Benjamin Franklin (CBF), Berlin, Deutschland
  • 2Charité- Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Neurologie, Campus Virchow Klinikum (CVK), Berlin, Deutschland

Fragestellung: Thalamische und subthalamische Tiefe Hirnstimulation (THS) zur Behandlung des essentiellen Tremors bzw. Morbus Parkinson birgt ein insgesamt geringes Risiko schwerwiegender kognitiver Nebenwirkungen. Allerdings wurde wiederholt über postoperativ reduzierte Leistungen in Wortflüssigkeitsaufgaben im Zusammenhang mit diesen Therapien berichtet. Die Grundlagen dessen sind bislang spekulativ.

Methoden: Bei 12 Parkinsonpatienten und 7 Tremorpatienten wurden postoperativ EEG Ableitungen von den externalisierten Elektroden im Nucleus subthalamicus (STN) bzw. dem thalamischen Nucleus ventralis intermedius (VIM) durchgeführt. Währenddessen bearbeiteten die Patienten eine lexikalische Entscheidungsaufgabe, in der per Tastendruck akustisch präsentierte Wörter von Pseudowörtern zu differenzieren waren. Diesen Zielreizen gingen phonematisch/semantisch verwandte oder unverwandte ‚Prime-Wörter‘ voraus, auf die keine Reaktion gefordert war.

Ergebnisse: Im STN evozierten Prime-Wörter 100 – 400 ms nach Präsentation signifikant höhere Ereignis-korrelierte Potentiale (EKP) als Zielreize. Umgekehrt, lösten Zielreize im VIM ab ca. 400 – 500 ms nach Präsentation höhere EKP-Signale aus als Prime-Wörter. Dabei verliefen die EKP auf die unterschiedlichen Zielreize, d.h. Wörter versus Pseudowörter, stets parallel – ungeachtet des o.g. kernspezifischen Musters.

Schlussfolgerungen: Die im STN nachgewiesene Mehraktivierung könnte einer hervorgehobenen Verarbeitung der inhibitorischen Bedeutung von Primewörtern zur Unterdrückung einer Reizreaktion entsprechen. Im Gegensatz zu diesem formal irrelevanten (Nicht-)Handlungsaspekt spricht das Antwortmuster in VIM-Ableitungen für eine spezifische Verarbeitung der lexikalischen Aufgabenstellung. Das Ergebnis kann als Hinweis auf lexiko-spezifische Effekte von THS im VIM verstanden werden – im Gegensatz zu nicht primär sprachlichen Wirkungen der THS im STN auf allgemein kognitiv-prozeduraler Ebene.