Klinische Neurophysiologie 2014; 45 - P44
DOI: 10.1055/s-0034-1371257

Deutliche Progression der Schädigung der grauen Substanz bei konstanten Befunden in der weißen Substanz im Krankheitsverlauf der Amyotrophen Lateralsklerose: Eine longitudinale MRT-Studie

S Körner 1, R Menke 2, N Filippini 2, G Douaud 2, S Knight 2, K Talbot 2, M Turner 2
  • 1Medizinische Hochschule Hannover, Neurologie, Hannover, Deutschland
  • 2University of Oxford, Oxford, Großbritannien

Hintergrund:

Die Diagnosestellung sowie die Überwachung des klinischen Verlaufs basieren bei der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) derzeit hauptsächlich auf der klinisch-neurologischen Untersuchung. Dabei ist inzwischen eine hohe phänotypische Heterogenität der ALS, insbesondere betreffend extramotorische kognitive Beeinträchtigungen, bekannt. In zahlreichen Querschnittstudien wurde bereits nach geeigneten krankheitsspezifischen Biomarkern für die ALS gesucht ohne dass ein solcher mit ausreichend hoher Sensitivität und Spezifität identifiziert werden konnte.

Methoden:

69 Patienten mit sporadischer ALS wurden multimodal im 3 Tesla-MRT untersucht und 42 dieser Patienten erhielten außerdem mindestens ein Verlaufs-MRT im Abstand von sechs Monaten fortlaufend bis zu zwei Jahren. Pathologische Veränderungen der grauen Substanz wurden durch Analyse von T1-gewichteten Bildern mittels voxel-based morphometry (VBM) identifiziert und die weiße Substanz wurde mittels diffusion tensor imaging (DTI) untersucht. Die Veränderungen wurden zum einen im Vergleich zu altersentsprechenden gesunden Kontrollen und zum anderen longitudinal sowie in Korrelation zum klinischen Bild untersucht.

Ergebnisse:

Bei ALS-Patienten zeigten sich im Vergleich zu den Kontrollen die bereits bekannten pathologischen Veränderungen der weißen Substanz in der Pyramidenbahn und im Corpus callosum. Diese waren in ausgeprägter Weise positiv mit klinischen Zeichen des oberen Motorneurons aber auch mit dem Behinderungsgrad (ALSFRS) an den Extremitäten korreliert. In Bezug auf die graue Substanz war eine bulbäre Beeinträchtigung mit pathologischen Veränderungen in der entsprechenden Region des linken Motorkortex und eine schlechtere Wortflüssigkeit mit einer Atrophie im dorsolateralen präfrontalen Kortex beidseits korreliert. Die Longitudinalanalyse ergab fortschreitende und ausgedehnte Schäden der grauen Substanz einschließlich der Basalganglien. Im Gegensatz dazu zeigten die pathologischen Veränderungen der weißen Substanz bemerkenswert wenig Progress; dies ist passend zu der klinisch beobachteten fehlenden Verschlechterung der Zeichen des oberen Motoneurons bei trotzdem fortschreitender Behinderung.

Zusammenfassung:

Während der Vergleich mit gesunden Kontrollen hauptsächlich die bekannten Schäden der weißen Substanz zeigte, fanden sich longitudinal fortschreitende Veränderungen nur in der grauen Substanz. Diese betrafen auch klinisch stumme Regionen wie die Basalganglien. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass für Diagnostik und Therapieüberwachung im Verlauf bei der ALS möglicherweise verschiedene MRT-Biomarker erforderlich sind.