Klinische Neurophysiologie 2014; 45 - P42
DOI: 10.1055/s-0034-1371255

Nervensonographische Befunde bei verschiedenen Varianten der ALS

S Schreiber 1, 2, S Abdulla 1, 2, 3, G Debska-Vielhaber 1, J Machts 2, H Feistner 1, A Oldag 1, M Görtler 1, S Petri 3, K Kollewe 3, S Kropf 1, HJ Heinze 1, 2, R Dengler 3, S Vielhaber 1, 2
  • 1Otto-von-Guericke Universität, Magdeburg, Deutschland
  • 2DZNE – Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen in der Helmholtz-Gemeinschaft, Magdeburg, Deutschland
  • 3Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Neurologie, Hannover, Deutschland

Einleitung. Die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist durch eine fortschreitende axonale Degeneration des unteren und oberen Motoneurons gekennzeichnet, deren variable Ausprägung das breite phänotypische Spektrum der Erkrankung kennzeichnen. Sonographische Untersuchungen an Patienten mit primären axonalen Neuropathien zeigen eher vergrößerte Querschnittsflächen (CSA) und Faszikelkaliber. Zur ALS liegen bislang keine systematischen Ultraschalldaten vor, die die phänotypischen Varianten der Erkrankung berücksichtigen würden.

Material und Methoden. Sonographisch (12-MHz-Sonde) untersucht wurden 79 ALS-Patienten mit vorwiegend bulbären Verlaufsformen (n = 15), klassischer ALS (Charcot, n = 21), LMN-ALS-Varianten (LMND, n = 21), UMN-ALS-Varianten (UMND, n = 14) und Primärer Lateralsklerose (PLS, n = 8) sowie 18 gesunde bezüglich der demographischen Daten gematchte Kontrollen. Beurteilt wurden die CSA (in mm2) des N. medianus und N. ulnaris am Handgelenk und Unterarm und beim N. ulnaris zusätzlich der Kubitaltunnel. Darüber hinaus wurde jeweils der Durchmesser des größten Faszikels (FD in mm) bestimmt. Parallel sind elektrophysiologische Messungen erfolgt; die Ausprägung der Symptome wurde unter Verwendung derALS functional rating scale (ALSFRS-R) graduiert und unter Kenntnis der ALSFRS-R und der Krankheitsdauer die Krankheitsprogression bestimmt.

Ergebnisse. Patienten und Probanden mit elektrophysiologisch gesichertem Kubital- oder Karpaltunnelsyndrom (n = 18 und n = 4) wurden aus der Datenanalyse ausgeschlossen. Patienten mit ALS weisen unabhängig vom Phänotyp eine signifikante Reduktion der CSA des N. ulnaris am Handgelenk und Unterarm im Vergleich zur Kontrollgruppe auf (p < 0,05). In der PLS-Gruppe nimmt die N.-ulnaris-CSA am Handgelenk und Unterarm vergleichbare Werte wie in den Probanden an. Die Querschnittsflächen des N. medianus der ALS-, PLS-Patienten und Kontrollen unterscheiden sich an sämtlichen Messorten nicht. Im Vergleich zu den Probanden ist der FD des N. ulnaris am Handgelenk bei Frauen mit UMND vergrößert und bei Männern mit LMND atrophiert. Innerhalb der ALS-Gruppe lässt sich eine signifikant inverse Korrelation zwischen der CSA des N. ulnaris an Handgelenk und Unterarm sowie der Progressionsgeschwindigkeit der Erkrankung nachweisen.

Schlussfolgerung. ALS geht unabhängig von der phänotypischen Ausprägung der Erkrankung mit einer distalen Ausdünnung des N. ulnaris einher; PLS-Subformen scheinen hiervon weniger betroffen zu sein. ALS-Patienten mit langsamer Krankheitsprogression weisen größere Nervenquerschnittsflächen des distalen N. ulnaris auf. Ein konsistenter Faszikelumbau des N. ulnaris ist nicht nachweisbar. Die hochauflösende periphere Nervensonografie scheint auch bei Motoneuronerkrankungen pathologische Veränderungen in Abhängigkeit von der Klinik detektieren zu können. Vielleicht wird sie zukünftig auch das klinische Monitoring im Rahmen von Therapiestudien ergänzen.