Klinische Neurophysiologie 2014; 45 - P40
DOI: 10.1055/s-0034-1371253

Kasuistik: Reaktion nach Meningokokkenimpfung oder spontane Polyneuritis? – Nervensonografie als wesentliches Diagnostikum

AC Niculescu 1, M Tschernatsch 2, J Allendoerfer 1
  • 1Asklepios Neurologische Klinik Bad Salzhausen, Bad Salzhausen, Deutschland
  • 2Gesundheitszentrum Wetterau gGmbH, MVZ am Hochwald, Bad Nauheim, Deutschland

Hintergrund: Impfungen leisten zweifelsfrei einen elementaren Beitrag zur Prävention von Infektionskrankheiten. Auch schwere neurologische Manifestationen werden durch sie verhindert. Dennoch werden immunvermittelte Läsionen am Nervensystem nach Impfung als seltene Komplikation beschrieben. Zumeist handelt es sich um Polyradikuloneuritiden oder disseminierte Enzephalomyelitiden. Je nach Impfstoff werden neurologische Nebenwirkungen in 1/100.000 angegeben, wobei die Kausalität selten sicher ist.

Kasuistik: Ein 42-jähriger Mann, ohne relevante Vorerkrankungen, wurde vor einer Auslandsreise gegen Meningokokken (A und CWY) geimpft. Ca. 2 Wochen nach der Impfung stellte sich der Patient mit Par- und Hypästhesien am rechten Arm, der Kopfhaut und des Gesichtes sowie einer Kraftlosigkeit in den Beinen vor. In der neurologischen Untersuchung fanden sich multifokale Sensibilitätsstörungen peripherer Nerven ohne sichere Parese, jedoch der Angabe einer erheblichen Belastungsintoleranz. Die Muskeleigenreflexe zeigten sich nicht abgeschwächt. Die Liquor- und zerebrale wie spinale MRT-Diagnostik war unauffällig. Elektroneurographisch fanden sich initial keine sicher pathologischen Befunde. In der Nervensonografie fanden sich im distalen und mittleren Oberarmschnitt erhebliche abschnittsweise echoarme Verdickungen einzelner Faszikel, ohne deutliche Vergrößerung der Nervenquerschnittsfläche des N. medianus und N. ulnaris, entsprechend dem Bild einer immunvermittelten Neuropathie. Nach einer intravenösen Prednisolon-Gabe mit oraler Weiterbehandlung bildete sich die Symptomatik partiell zurück. Nach Dosisreduktion traten wieder Dysästhesien, Muskelschmerzen und Schwäche der Extremitäten auf, die nach Erhöhung 80 – 100 mg Prednisolon ruckläufig waren. Mittlerweile fanden sich die motorischen NLG der Beinnerven teilweise leicht herabgesetzt bei grenzwertiger F-Wellenlatenz des N. tibialis und dem Auftreten von A-Wellen des N. tib. links. Nach wenigen Wochen trat plötzlich eine Fußheberparese links auf, weshalb eine Behandlung mit IVIG begonnen wurde. Die Parese zeigte eine rasche Besserung, bestand endgradig jedoch auch noch beim zweiten Zyklus der IVIG Behandlung. Nach einem Verlauf von gut 3 Monaten fand sich elektroneurographisch erstmals eine Zunahme der DML des rechten N. medianus rechts um 1 ms. Der sonographische Befund der Oberarmnerven blieb unverändert.

Diskussion: Die zeitliche Assoziation zwischen Impfung und den ersten Symptomen legt eine Typ IV Immunreaktion nahe. Leitungsblöcke oder andere sichere Pathologika fanden sich initial nicht, überraschenderweise jedoch erhebliche Veränderungen in der Sonomorphologie der Oberarmnerven, die typisch für immunvermittelte Neuropathien sein sollen. Im vorliegenden Fall hat die Nervensonografie wesentliche Hinweise für das Vorliegen einer immunvermittelten Neuropathie gegeben.