Klinische Neurophysiologie 2014; 45 - P29
DOI: 10.1055/s-0034-1371242

Zeitliche Dynamik ereigniskorrelierter Potenziale bei Patienten mit schweren Bewusstseinsstörungen

B Schorr 1, 2, W Schlee 3, IT Kolassa 1, A Bender 2, 4
  • 1Institut für Psychologie und Pädagogik, Universität Ulm, Klinische und Biologische Psychologie, Ulm, Deutschland
  • 2Therapiezentrum Burgau, Burgau, Deutschland
  • 3Institut für Psychiatrie und Psychotherapie, Universität Regensburg, Regensburg, Deutschland
  • 4Neurologische Klinik, Klinikum der Universität München, München, Deutschland

Einleitung:

Bei Patienten mit schweren Bewusstseinsstörungen nach erworbener Hirnschädigung könnte das Elektroencephalogramm (EEG) Indikatoren für ein subklinisch vorhandenes Minimalbewusstsein liefern (Cavinato et al., 2009). Diese Pilotstudie untersucht mittels ereigniskorrelierter Potentiale (EKP) in Kombination mit der Coma Recovery Scale-Revised (CRS-R) den Bewusstseinszustand der Patienten im Verlauf der neurologischen Frührehabilitationsbehandlung.

Methode:

Die EKP wurden mittels eines auditorischen Oddball-Paradigmas evoziert. N = 6 Patienten in unterschiedlichen Bewusstseinszuständen nahmen an der Studie teil (n = 3 Syndrom Reaktionsloser Wachheit [UWS, engl: unresponsive wakefulness syndrome]; n = 1 Minimaler Bewusstseinszustand [MCS, engl.: minimally conscious state]; n = 2 UWS dann MCS; Diagnose: n = 4 traumatisch; n = 2 atraumatisch). Die Messungen fanden zwei Wochen (Messzeitpunkt 1 [M1]) nach Aufnahme und 3 – 8 Wochen später (Messzeitpunkt 2 [M2]) statt.

Ergebnisse:

Ein Patient (UWS) zeigte keine P300 zu M1, jedoch zu M2 (CRS-R: M1 5 UWS, M2 6 UWS). Zwei Patienten (n = 2 UWS dann MCS) wiesen zu M2 im Vergleich zu M1 erhöhte Amplituden und verkürzte Latenzen auf und verbesserten sich im Verlauf der Behandlung auch klinisch (Erhöhung des CRS-R Wertes von UWS zu M1 [3 bzw. 6] auf MCS zu M2 [12 bzw. 11]).

Diskussion:

Ein Patient zeigte im Verlauf erste Anzeichen für eine akustische Reizverarbeitung trotz unveränderten klinischen Zustands. Die erhöhten Amplituden und verkürzten Latenzen in zwei Fällen passen zur klinischen Verbesserung (Wiedererlangung des Minimalbewusstseins). Ähnliches wurde auch von Keren et al. (1998) berichtet.

EKP scheinen eine geeignete Methode zu sein, um den Verlauf der Bewusstseinsveränderung bei Patienten mit schweren Bewusstseinsstörungen zu untersuchen.

Literatur:

Cavinato, M., Freo, U., Ori, C., Zorzi, M., Tonin, P., Piccione F., Merico, A. (2009). Post-acute P300 predicts recovery of consciousness from traumatic vegetative state. Brain Injury, 23, 973 – 980.

Keren, O., Ben-Dror, S., Stern, M.J., Goldberg, G., Groswasser, Z. (1998). Event-related potentials as an index of cognitive function during recovery from severe closed head injury. The Journal of Head Trauma Rehabilitation, 13, 15 – 30.