Klinische Neurophysiologie 2014; 45 - V11
DOI: 10.1055/s-0034-1371190

N-Acetyl-L-leucine beschleunigt die vestibuläre Kompensation durch Modulation cerebellärer und thalamischer Plastizität

A Zwergal 1, 2, L Günther 2, R Beck 2, G Xiong 2, T Brandt 2, 3, K Jahn 1, 2, M Strupp 1, 2, M Dieterich 1, 2, C la Fougere 4
  • 1Ludwig-Maximilians-Universität München, Neurologie, München, Deutschland
  • 2Ludwig-Maximilians-Universität München, Deutsches Schwindel- und Gleichgewichtszentrum, München, Deutschland
  • 3Ludwig-Maximilians-Universität München, Klinische Neurowissenschaften, München, Deutschland
  • 4Erhard Karls Universität Tübingen, Nuklearmedizin und molekulare Bildgebung, Tübingen, Deutschland

Einleitung: Nach einem einseitigen Labyrinthausfall kommt es zu einer raschen Rückbildung der Symptome durch die sog. zentrale vestibuläre Kompensation. Die pharmakologische Beschleunigung dieses Prozesses stellt einen interessanten Therapieansatz dar.

Ziel: Untersuchung des Einflusses von N-Acetyl-DL-leucine, N-Acetyl-L-leucine und N-Acetyl-D-leucine auf die Verhaltenskompensation und zentrale vestibuläre Plastizität im Rattenmodel der unilateralen Labyrinthektomie (UL)

Methoden: Bei 60 Sprague-Dawley-Ratten wurde eine linksseitige UL durch transtympanale Injektion von Bupivacain/Arsenilat durchgeführt. Je 6 Tiere wurden für 3 Tage nach UL mit N-Acetyl-DL-leucine, N-Acetyl-L-leucine, N-Acetyl-D-leucine (je 24 mg/d i.v) oder Vehikel behandelt. Zur Ermittlung von Dosiswirkungen wurden weiterhin je 6 Tieren mit N-Acetyl-L-leucine in Dosen von 60 mg/kg/d, 15 mg/kg/d oder 3,75 mg/kg/d i.v. behandelt. An den Tagen 1,2,3,5,7,9,15 nach UL fand in allen Gruppen eine vestibuläre Verhaltenstestung (Nystagmus, posturale Asymmetrie, Kopfneigung) statt. Zur Darstellung der zentralen Plastizität wurden in der L- und D-Gruppe (24 mg/d) sowie Kontrollgruppe (je n = 6) serielle FDG-PET-Untersuchungen an den Tagen 1,3,7,15 nach UL durchgeführt.

Ergebnisse: Im Vergleich zur Kontrollgruppe zeigte sich in der DL- und L-, aber nicht in der D-Gruppe (je 24 mg/d) eine signifikante Verbesserung der posturalen Kompensation an Tag 7 (p < 0,05). Die Kompensationsdynamik war in der DL- und L-Gruppe um 6 Tage vorverlagert. In der Dosiswirkungstestung zeigte sich ein signifikanter Effekt von 60 mg/kg/d N-Acetyl-L-leucine auf die posturale Kompensation an Tag 7, nicht aber von 15 mg/kg/d oder 3,75 mg/kg/d. Im Vergleich zur Kontrollgruppe, fanden sich in der L-Gruppe, nicht aber in der D-Gruppe (24 mg/d) eine Steigerung des regionalen Glukosestoffwechsels im Vestibulocerebellum und eine Verminderung im Thalamus an Tag 3 und 7.

Zusammenfassung: Die Applikation von N-Acetyl-L-leucine in einer Dosis von 24 mg/d oder 60 mg/kg/d i.v. führt zu einer Beschleunigung der posturalen Kompensation nach einseitiger vestibulärer Schädigung durch Modulation cerebellärer und thalamischer Plastizität. Die klinische Anwendung könnte eine sinnvolle Ergänzung zu physiotherapeutischen Therapiemaßnahmen bei Patienten mit akutem Labyrinthausfall darstellen.