Z Geburtshilfe Neonatol 2014; 218(01): 1
DOI: 10.1055/s-0034-1368708
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Fetale Therapie – wissenschaftliche Basis und kritische Bestandsaufnahme des derzeitigen klinischen Nutzens

Fetal Therapy – Scientific Basics and Critical Discussion of Clinical Potential
R. Axt-Fliedner
,
S. Schmidt
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Publication History

Publication Date:
04 March 2014 (online)

In dieser und den kommenden Ausgaben der Zeitschrift für Geburtshilfe und Neonatologie werden aktuellste Aspekte der sich rasch entwickelnden Subdisziplin innerhalb der Perinatalmedizin, der fetalen Medizin, im Rahmen einer Artikelserie vorgestellt.

Die fetale Medizin umfasst ein Spektrum von nicht-invasiven Methoden bis hin zu direkten in-utero Interventionen (ultraschall-gesteuerte Punktionstechniken und direkte Visualisierung des Feten zur minimal-invasiven Therapie) der fetalen Zustandsbeschreibung und der fetalen Therapie. Die Entwicklung der fetalen Medizin in den letzten 3 Jahrzehnten von der Diagnostik über das Screening bis zur Prävention fetaler Erkrankungen war rasant. Die bei weitem beeindruckendsten Entwicklungen finden auf dem Feld der intrauterinen fetalen Therapie statt. Neben den technischen Fortschritten in der Ultraschalltechnologie, die zu einer verbesserten Bildqualität geführt haben und den Weg für weitere Techniken wie z. B. Spektral- und Farbdopplersonografie, Volumensonografie und minimal-invasive Operationstechniken geebnet haben, sind die immer differenzierteren Möglichkeiten der Molekularbiologie, der Genetik und der Biochemie als Gründe anzuführen. Gelegentlich hält jedoch unser Verständnis der pathophysiologischen Grundlagen fetaler Erkrankungen nicht mit den ehrgeizigen technisch anspruchsvollen Interventionen Schritt. Zahlreiche Fall-Kon­troll Studien und systematische Übersichtsarbeiten erlauben aktuell eine kritische Wertung der fetalen Therapie, jedoch liegen bislang zu wenige Erkenntnisse aus randomisierten Studien vor.

Schon im letzten Heft der ZGN (06/2013) wurden in einem Beitrag von Degenhardt et al. die aktuellen intrauterinen Therapieansätze echogener Lungenläsionen kritisch zusammengefasst, die – vor allem dann, wenn ein Hydrops fetalis vergesellschaftet ist – eine hohe perinatale Mortalität und Morbidität aufweisen.

Im vorliegenden Heft beschreiben Ritgen et al. in ihrem Beitrag zur angeborenen Zwerchfellhernie neue Prognoseparamater, die zukünftig in die Entscheidungsfindung zur pränatalen Therapie und die elterliche Beratung Eingang finden können. Die fetoskopische endotracheale Okklusion (FETO) als vorgeburtliche Behandlungsstrategie bei schweren Ausprägungsformen der angeborenen Zwerchfellhernie ist mittlerweile etabliert und hat zur Verbesserung der kindlichen Prognose geführt. Trotzdem bleibt auch diese Erkrankung unter Ausschöpfung aller pränatalen Möglichkeiten und der optimalen neonatalen Versorgung im Zentrum mit einer hohen kindlichen Sterblichkeit assoziiert.

Wie bedeutsam die Erarbeitung guter Prognosekriterien für die Auswahl zur intrauterinen Therapie ist, stellen Bildau et al. anhand ihres Beitrages zur Blasenausflusstrakt-Obstruktion (lower urinary tract obstruction-LUTO) vor. Die angeborene Fehlbildung als solche kann am Leitsymptom der fetalen Megazystis pränatal schon im ersten Trimenon häufig diagnostiziert werden. Die vereinfachte Vorstellung, durch die Ableitung des fetalen Urins in die Amnionhöhle mittels vesikoamnialer Shunteinlage die Problemlösung herbeiführen zu können, hat sich im Hinblick auf die Erhaltung der postpartalen Nierenfunktion nicht bewahrheitet. Die pulmonale Morbidität und Mortalität jedoch kann durch die intrauterine Therapie bei LUTO günstig beeinflusst werden. Derzeit existiert kein Konsensus über das beste Verfahren zur Prognoseabschätzung der postnatalen Nierenfunktion. Neue, technisch beeindruckende minimal-invasive fetoskopische Therapieformen wie die zystoskopische Laserablation der fetalen posterioren Urethralklappen sind indessen bereits in Fall-Kontroll Studien beschrieben worden.

Der Beitrag von Werlein et al. schließlich verdeutlicht in besonderem Maße die Bedeutung des engen Miteinanders der beteiligten Disziplinen aus neonatologischer Sichtweise. Es wird klar, das die exakte pränatale Diagnose, die intrauterine fetale Therapie und die perinatale Behandlung komplex ist und wenigen, hoch spezialisierten Zentren vorbehalten sein sollte. Nur so kann Wissenszuwachs erreicht werden und eine wissenschaftlichen Begleitung und eine ausreichende Ausübung der praktischen Fertigkeiten im Umgang mit den seltenen Erkrankungsbildern erfolgen.

In den nächsten Heften der ZGN werden weitere Beiträge zu dieser Thematik, so zur Spina bifida, zum Zwillingstransfusionssyndrom und zur fetalen Echokardiografie folgen. Das Ziel der fetalen Medizin ist, den werdenden Eltern und den Ungeborenen zu helfen: den Eltern zu helfen, die für sie bestmögliche Entscheidung zu treffen; und den Ungeborenen zu helfen, indem die Erkrankung entweder geheilt oder deren Folgen für das nachgeburtliche Leben abgemildert werden können. Die Übersichtsarbeiten der Artikelserie ­„Fetale Medizin“ soll dem perinatologisch inte­ressierten Leser einen Überblick über aktuelle Aspekte dieser dynamischen Subdisziplin bieten. Wir möchten allen Autoren recht herzlich für ihre Beiträge danken und Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, viel Freude bei der Lektüre wünschen.

Ihr
Roland Axt-Fliedner und Stephan Schmidt